Springe zum Inhalt

Organochlorverbindungen

Dank an die Uni Ulm den folgenden Artikel aus "Uni Ulm Intern Mai 1996" hier kopieren zu duerfen.

Originalsite: http://www.uni-ulm.de/uui/1996/int0596.htm#7

Dieser Artikel als pdf-datei: Organochlorverbindungen.pdf

Der Artikel ist auch im Jahre 2011 aktuell und brisant

***

Iß keinen Jäger, schon gar keinen männlichen

Von der höheren xenobiotischen Last des Räubers gegenüber dem Vegetarier und des Männchens gegenüber dem Weibchen

»Polychlorierte Biphenyle in Muttermilch« oder »Lindan in Babynahrung« - Presseheadlines, die in den letzten Jahren manches Aufsehen erregt haben, sind beunruhigend, vielleicht alarmierend; unbedingt überraschend sind sie nicht, denn schließlich werden diese in vielfacher Hinsicht bedenklichen, zu den anthropogenen, das heißt vom Menschen erzeugten Organochlorverbindungen zählenden Stoffe ja in unserer mittelbaren oder unmittelbaren Umgebung hergestellt und angewendet. Auf den ersten Blick nicht ganz so selbstverständlich ist, daß sich derartige Xenobiotika auch in Fischen der Tiefsee, tierischen Bewohnern der Arktis und Antarktis und an anderen produktions- und anwendungsfernen Orten nachweisen lassen, zwar in geringen Konzentrationen, die oft überhaupt nur dank der in den letzten Jahrzehnten erheblich verfeinerten Nachweismethoden detektierbar sind, aber immerhin. Im Hinblick auf diese Globalverteilung der xenobiotischen Substanzeinträge durch den Menschen in seine Umwelt spricht die einschlägige Wissenschaft von »Allgegenwartskonzentrationen«.

Schwerflüchtige persistente Organochlorverbindungen wie die polychlorierten Biphenyle und Komponenten der 1938 von P. Müller als hochwirksames Insektizid erkannten Substanz Dichlordiphenyltrichloräthan (DDT) wurden erstmals 1966 in Fischen der Ostsee gefunden, inzwischen auch in den entlegensten Gebieten unserer Erde. Polychlorierte Biphenyle und eine Vielzahl von Organochlorinsektiziden konnten in der Atmosphäre und Hydrosphäre der Antarktis und Arktis, in Pinguineiern sowie in Walen und Robben aus der Antarktis und Arktis nachgewiesen werden.

Global ubiquitär

Xenobiotika sind nach ihrem Eintrag in die Umwelt den Kreisläufen des globalen Massentransports in der Atmosphäre und im globalen ozeanischen System ausgesetzt. Dadurch findet die weltweite Verteilung statt, die ihre Allgegenwart, ihre Ubiquität begründet. Der quellenferne Nachweis anthropogener Organochlorverbindungen ist ein Beweis für den globalen Transport und die Verteilung der Verbindungen in den Umweltkompartimenten Atmosphäre, Hydrosphäre, Geosphäre und Biosphäre. Um das Verteilungsverhalten von Umweltchemikalien global griffig zu charakterisieren, wurde von Prof. Dr. Karlheinz Ballschmiter, Leiter der Abteilung Analytische Chemie und Umweltchemie der Universität Ulm, das Ulmer 6-W-Modell (Was - Wo - Wieviel - Warum - Wann - Welche [Effekte], s. a. »uni ulm intern« Nr. 156, April 1990) entwickelt. In Abhängigkeit von den physikochemischen Eigenschaften der einzelnen Umweltkompartimente und der Umweltchemikalien reichern sich die Verbindungen in den Kompartimenten unterschiedlich stark an. Dabei spielt auch die Persistenz der Stoffe gegenüber biotischem und abiotischem Abbau eine Schlüsselrolle. Bei dem Prozeß der globalen Gleichverteilung kommt es zu einer Optimierung der Wechselwirkungen zwischen Substanz und Umweltkompartimenten, so u.a. zu einer Akkumulation schwerflüchtiger, lipophiler Verbindungen im Fettgewebe von Lebewesen.

Infolge dieses Akkumulationstatbestandes wächst die Belastung mit der Länge der Nahrungskette. Nahrungskettenendständige Lebewesen sind mithin am stärksten belastet, weil sie bereits akkumulierte Schadstoffmengen in Gestalt der Xenobiotica-Depots ihrer Beutetiere aufnehmen. »Iß nie einen Räuber« lautet eine sich daraus ableitende Grundregel für denjenigen, der seine Belastung mit Schadstoffen minimieren möchte.

Am Ende der Nahrungskette, die im Umweltkompartiment Biosphäre als Transportmedium dient, befinden sich für den marinen Bereich die Meeressäugetiere. Sie sind wegen ihrer hohen trophischen Stufe und ihrer hohen Lebenserwartung besonders effektive und nachhaltige Akkumulanten von Umweltchemikalien. Diese Tiergruppe ist daher ein wichtiger Indikator für langfristige Auswirkungen der Umweltverschmutzung der Meere durch Xenobiotika.

PCBs, HCHs und DDT

In ihrer bei Prof. Ballschmiter verfaßten Dissertation über »Isomeren- und enantiomerenspezifische Bestimmung von schwerflüchtigen Organochlorverbindungen in Meeressäugetieren: Transformation - Transport - Verbleib« hat Dr. Stephanie Mößner schwerflüchtige Organochlorverbindungen untersucht. Deren bevorzugtes Umweltkompartiment ist die Biosphäre, als Transportmedium dienen die Nahrungskette bzw. die Nahrungskettennetze.

Dr. Mößners Interesse galt den polychlorierten Biphenylen (PCBs), Hexachlorzyklohexanen (HCHs) sowie dem DDT. PCBs finden neben ihrer Rolle als Weichmacher zum Beispiel als Dielektrikum in Transformatoren und Kondensatoren Verwendung und gelangen so auch in die Umwelt. Weitere Quellen sind die Hausmüllverbrennung und Mülldeponien. Unter den HCHs - einer Gruppe von Strukturisomeren - hat das Gamma-HCH (Lindan) Popularität als Insektizid. Auch DDT ist, wie schon gesagt, als solches bekannt.

Im Rahmen der Arbeit wurden verschiedene Meeressäuger analysiert, die sich sowohl im Lebensraum, in der Stellung innerhalb der Nahrungskette und im Alter als auch im Nahrungsverhalten unterscheiden. Einbezogen waren zwei Robbenarten (der Nördliche Seebär aus dem Nordpazifik (Callorhinus ursinus) und der Seehund aus dem Nordatlantik (Phoca vitulina)), drei Zahnwalarten (der Beluga aus dem Nordpolarmeer (Delphinapterus leucas), der Langflossen-Grindwal aus dem Nordatlantik (Globicephala melaena) und der Gewöhnliche Delphin aus dem Nordatlantik (Delphinus delphis) und eine Bartenwalart (der Grönlandwal aus dem Nordpolarmeer, Balaena mysticetus), davon zum Teil mehrere Tiere sowie verschiedene Organe. Dr. Mößner untersuchte die Aufnahme von Xenobiotika über die Nahrungskette sowie den intrakorporalen und interkorporalen Transport (Mutter---->Fötus, Kalb) dieser Substanzen.

Auch im Gehirn

Die Robben und die Zahnwale sind Räuber. Sie ernähren sich von Fischen, Krebsen und anderen Meerestieren. Als reine Planktonfiltrierer spiegeln die Bartenwale demgegenüber den xenobiotischen Eintrag in das Wasser nahezu unmittelbar wider. Plankton ist die Gesamtheit der im Wasser schwebenden Lebewesen. Es setzt sich aus dem Phytoplankton (z.B. einzellige Algen) und dem Zooplankton (z.B. Hohltiere, Ringelwürmer im Larvenstadium und kleine Krebse) zusammen. Der Grönlandwal als Vertreter der Bartenwale filtert mit seinen Barten das Wasser und ernährt sich hauptsächlich von dem in den oberen Metern vorkommenden Krill (kleinen Leuchtkrebschen). Er kann also im Vergleich zu den Räubern Robbe und Zahnwal als Quasivegetarier bezeichnet werden. Als Landvegetarier wurde ein Schaf von der Schwäbischen Alb in die Untersuchungen einbezogen. Insgesamt ergab sich das zu erwartende Bild: Räuber sind weit höher belastet als Vegetarier. Bei Analysen von Meeressäugetieren wird meistens nur das Fettgewebe untersucht, seltener Organe wie die Leber. Mößner hat sich überdies das für das Tier außerordentlich wichtige Gehirn angesehen und dessen Belastung mit der des Fettgewebes und der Leber verglichen.

Die Aufnahme von Xenobiotika in den Meeressäugerorganismus erfolgt hauptsächlich über die Nahrung. Nach der Resorption findet im Körper des Tieres eine Verteilung der aufgenommenen anthropogenen Verbindungen statt. Als Transportmedium dient der Blutkreislauf. Es kommt zu einer Verteilung und Akkumulation der schwerflüchtigen Organochlorverbindungen auf die verschiedenen Organe. Diese organspezifische Verteilung ist abhängig von der Fähigkeit der betreffenden Verbindung, durch die Zellmembran des einzelnen Organs zu gelangen, sowie von ihrer Affinität zum jeweiligen Organ. Mit der Zeit stellt sich ein Gleichgewicht zwischen Resorption, Metabolismus und Ausscheidung der anthropogenen Verbindung ein, das von den physikochemischen Daten der jeweiligen Verbindung, den substanz- und organspezifischen Abbaureaktionen sowie dem Neueintrag der Verbindung bestimmt wird. Aufgrund ihrer lipophilen Eigenschaften durchdringen die hier untersuchten Organochlorverbindungen die Zellmembranen der Organe relativ leicht und verteilen sich im gesamten Organismus. Die Akkumulation der lipophilen anthropogenen Substanzen findet bevorzugt im Fettgewebe statt.

Für höhere Organismen ist es lebensnotwendig, daß das Gehirn keinen zeitweisen Veränderungen in der Zusammensetzung des Blutes, z.B. nach Mahlzeiten oder körperlicher Anstrengung, ausgesetzt wird. Für die Erhaltung eines stabilen inneren Milieus sorgt die Blut-Hirn-Schranke, die beim Menschen bereits am Ende des dritten Monats der Embryonalentwicklung ausgebildet ist. Anatomische Grundlage der Blut-Hirn-Schranke sind die Endothelzellen. Die Zellen der Kapillaren, die das Gehirn mit Blut versorgen, bilden eine fast lückenlose Wand und verwehren vielen Stoffen den Zutritt ins Gehirn. Aufgrund der Beschaffenheit der Blut-Hirn-Schranke können hydrophile Substanzen wie z. B. Natriumionen die Zellmembran nicht überwinden. Bei anderen, zum Teil lebensnotwendigen wasserlöslichen Molekülen wie Glukose werden vom Körper spezifische Carrier (Beförderer) eingesetzt, um diese Stoffe ins Gehirn zu transportieren.

Lipophile Substanzen - dazu gehören auch die untersuchten anthropogenen Organochlorverbindungen - könnten aufgrund der aus Lipidmolekülen zusammengesetzten äußeren Zellmembran durch die Blut-Hirn-Schranke relativ leicht diffundieren. Diese Verbindungen liegen jedoch im Blut nicht frei, sondern überwiegend in plasmaproteingebundener Form vor. Und da die Flüssigkeit im Innern des zentralen Nervensystems eine geringere Proteinkonzentration als in anderen Körperflüssigkeiten hat, ist auch die Konzentration der Xenobiotika im Gehirn geringer als zum Beispiel im Blut.

Alpha-HCH macht eine Ausnahme

Die Leber ist das aktivste Organ in Hinsicht auf enzymatische Metabolisierungsreaktionen. Sie nimmt auch die im Magen-Darm-Trakt resorbierten anthropogenen Verbindungen auf, metabolisiert und scheidet sie via Galle aus, bevor sie über das Blut im gesamten Organismus verteilt werden können.

Die Akkumulation der untersuchten Organochlorverbindungen im Speck und im Gehirn ist anhand eines Zahn- und eines Bartenwals charakterisiert worden. Dr. Mößner untersuchte den Gewöhnlichen Delphin (Delphinus delphis) und den Grönlandwal (Balaena mysticetus); beim Delphin drei verschiedene Gehirnteile, das Großhirn, das Kleinhirn und den Hypothalamus, beim Grönlandwal eine Gesamtgehirnprobe neben der Speckprobe. Die Verteilung der Xenobiotika auf Speck und Leber wurden am Beispiel eines erwachsenen Nördlichen Seebären ermittelt und die Unterschiede bei der Akkumulation zwischen Leber und Gehirn anhand von totgeborenen und neugeborenen Nördlichen Seebären beschrieben.

Während für die meisten Xenobiotika gilt, daß sie zwischen Fett und Gehirn eine Verteilungsrelation von 20-30:1 einhalten, konnte Dr. Mößner im Fall einer der untersuchten Substanzen grundsätzlich andersartige Verhältnisse nachweisen: Das eine Isomer der Hexachlorzyklohexane, das Alpha-HCH, war im Gehirn zwei- bis dreimal stärker akkumuliert als im Fett. Alpha-HCH ist ein chirales Molekül, das heißt es kommt in zwei verschiedenen Strukturformen vor, die sich wie Bild und Spiegelbild zueinander verhalten, wie rechte und linke Hand (Chiralität). (+)-Alpha-HCH und (-)-Alpha-HCH werden in die Umwelt im Verhältnis von 1:1 eingetragen; im Gehirn ist aber fast ausschließlich (+)-Alpha-HCH anzutreffen.

Aufgrund dieses Sachverhalts legt sich die Vermutung nahe, daß die Blut-Hirn-Schranke nicht nur normal durchlässig für (+)-Alpha-HCH ist, sondern den enantioselektiven Transport sogar aktiv unterstützt. Dieser enantioselektive Charakter der Blut-Hirn-Schranke könnte darauf zurückzuführen zu sein, daß (+)-Alpha-HCH chirale Strukturelemente besitzt, die einen Carrier an einen von ihm zu transportierenden Nährstoff erinnern.

Entgiftung der Mütter durch Geburt und Laktation

Die metabolisierten (verstoffwechselten) Xenobiotika können auf unterschiedliche Weise ausgeschieden werden, wobei die Elimination vor allem über den Urin und die Faeces erfolgt. Andere Ausscheidungswege sind die Geburt und die Laktation. Diese beiden Möglichkeiten, sowohl der Transfer von fettlöslichen anthropogenen Verbindungen über die Plazenta zum Fötus als auch über die Milch zum Jungtier, sind weiblichen Tieren vorbehalten. Während die Männchen im Laufe ihres Lebens Schadstoffe kontinuierlich anreichern, können sich die Weibchen durch Geburt und Laktation teilweise entgiften. Bei einer Vielzahl von Meeressäugetieren sind die Konzentrationen der Organochlorverbindungen in weiblichen erwachsenen Tieren nachweislich wesentlich geringer als in ihren männlichen Artgenossen. Vergleichbares gilt auch für zahlreiche Landsäuger.

Milchfett besteht vor allem aus zirkulierenden Lipiden des Blutes und aus Lipiden, die in der Milchdrüse synthetisiert werden. Mit dem Beginn der Stillzeit setzt eine passive Bewegung der akkumulierten Organochlorverbindungen vom Blut zur Milch ein. Gleichzeitig wandern diese Verbindungen aus allen Geweben zum Blut, um die Gewebe-Blut-Verteilungsverhältnisse aufrechtzuerhalten. Der Transport von lipophilen Organochlorverbindungen in die Milch erfolgt durch einfache Diffusion und hängt somit vom Fettgehalt und der Fettzusammensetzung der Milch ab. Der Fettgehalt der Muttermilch ist von Spezies zu Spezies verschieden. Er beträgt beim Menschen 3-5%, beim Rind 4% und bei Robben und Delphinen bis zu 50%.

Während der 3-6monatigen Stillzeit bei Zwergwalweibchen reduziert sich ihre PCB-Ge-samtbelastung auf 40% und ihre 4,4'-DDE-Belastung auf 43% der Belastung der männlichen Tiere. Bei den Belugas wird eine Stillzeit von ungefähr einem Jahr angenommen; in einer umfangreichen Studie konnte hier eine Belastungsreduktion auf 46% bei den PCBs und 40% bei 4,4'-DDE im Vergleich zum Männchen festgestellt werden. Es scheint folglich eine eindeutige Korrelation zwischen der Stillzeit und der Belastungsreduktion bei weiblichen Walen zu bestehen.

Wie wirksam ist die Plazenta-Schranke?

Bei schwangeren Streifendelphinen wurde der prozentuale Übergang von Organochlorverbindungen vom Muttertier zum Fötus untersucht. Dabei konnten Transferraten von 4% für die PCBs, 4,7% für die DDTs (4,4'-DDE, 4,4'-DDD und 4,4'-DDT) und 8,9% für die HCHs ermittelt werden, die prozentual dem Verhältnis der Körpergewichte des Muttertiers und des Fötus entsprechen. Die in der Literatur oft diskutierte Plazentaschranke, die ähnlich wie die Blut-Hirn-Schranke den Transfer anthropogener Verbindungen eindämmen soll, scheint zumindest für die hier detektierten Organochlorverbindungen nicht wirksam zu sein. Bei Großen Tümmlern und Gewöhnlichen Delphinen wurde festgestellt, daß die Überlebenschance der Erstgeburten aufgrund der erhöhten Schadstoffbelastung geringer ist als die Überlebenschance späterer Geburten.

Stephanie Mößner fand bei ihren Analysen diese in der Literatur dokumentierten Beobachtungen bestätigt. Sie ging dem interkorporalen Transport von Xenobiotika zwischen Muttertier und Fötus bzw. Muttertier und Kalb anhand zweier Robbenarten nach. Dabei betrachtete sie auch hier Speck, Gehirn und Leber. Bei den erwachsenen Tieren wurden jeweils männliche Tiere untersucht, um eine möglichst gute Alters-:Gesamtbelastungs-Beziehung zu erhalten und die bei weiblichen Tieren wirksamen Entgiftungsmechanismen wie Geburt und Laktation auszuschließen.

Von der Robbenart Nördlicher Seebär (Callorhinus ursinus), die unter Artenschutz steht, konnten ein erwachsenes, ein totgeborenes und ein neugeborenes Tier analysiert werden. Alle drei Tiere wurden im Sommer 1990 auf St. Paul, einer der Pribilof-Inseln im Beringmeer/Nordpazifik, tot geborgen. Anhand dieser Tiere ließ sich das interkorporale Transportverhalten am Beispiel der Leber beobachten und mit Gehalten einer Milchprobe eines Nördlichen Seebären vergleichen. Beim totgeborenen Nördlichen Seebär war der Eintrag an Organochlorverbindungen über die Milch ausgeschlossen, so daß die Belastung des Tieres die Grundbelastung, die über die Plazenta transportiert worden ist, widerspiegelt. Das neugeborene, ungefähr drei Monate alte Tier hat aller Wahrscheinlichkeit nach nur Muttermilch zu sich genommen, da bei Pelzrobben die Entwöhnung erst nach vier Monaten stattfindet. Sowohl die Tot- als auch die Neugeburt zeigten extrem hohe, der Milchprobe äquivalente Belastungen und bestätigten damit eindrucksvoll den interkorporalen Transfer von anthropogenen Organochlorverbindungen.

Die akute Toxizität der Organochlorverbindungen, seit längerem diskutiert, ist, anders als die unstreitige Langzeitschädlichkeit, bislang eher gering veranschlagt worden. Doch steht fest, daß man die komplexen Wirkungsmechanismen noch keineswegs erschöpfend überblickt. In letzter Zeit mehren sich zum Beispiel die Anzeichen einer akuten Beeinflussung des Hormonhaushalts durch diese Stoffklasse.