Vom dbu (deutscher Berufsverband der Umweltmediziner e.V.) ( www.dbu-online.de )
Verschimmelt unsere Republik? Vom Wandel unserer Wohnungen vom atmenden Lebensraum zur Thermoskanne
Der dbu organisiert im Verbund mit der European Academy for Environmental Medicine (EUROPAEM) ein Symposium „Schimmelpilzbelastung, Theorie, Diagnostik, Therapie“.
Wir kennen sie alle, die Patientinnen und Patienten, die unsere Geduld in der Sprechstunde aufs Ärgste strapazieren mit ihren stän- dig wiederkehrenden Infekten, ihren ständigen Befindlichkeits- störungen, ihrer latenten Burnoutsymptomatik und diversen unspezifischen Symptomen scheinbar ohne pathophysiologi- sches Korrelat. Sie passen in keine diagnostische Schublade und klassische therapeutische Ansätze mit Entzündungshemmern, Antibiotika etc. bringen nur kurzfristige Erfolge oder gar therapeu- tische Verschlechterungen. Schnell sind wir als Therapeuten dann auch der Gefahr ausgesetzt, den Patienten zu psychosomatisieren / psychiatrisieren oder ins Überweisungskarussel zu schicken.
Spätestens an dieser Stelle wäre eine kurze Eruierung des Wohn- und Lebensumfelds des Patienten mittels einiger kurzer Schlüsselfragen sinnvoll. So kann eine einfache Schimmelpilz- analytik unter Umständen Klärung bringen.
Schimmelpilze – das ist doch kein Problem mehr in unserer ach so reinen Gesellschaft voller Desinfizientien, werden Sie jetzt vielleicht denken. Doch weit gefehlt – die Zahlen für Schimmelpilzbelastungen und Schimmelpilzsensibilisierungen scheinen statistisch zuzunehmen. Wer offenen Auges durch unser Land reist, kann den Grund für die Zunahme schnell erkennen: die größte Verpackungsaktion der Geschichte – der Aktionskünstler Christo hätte seine helle Freude daran. Wir sollen weniger heizen, um CO2 einzusparen, gezielter Lüften und werden sogar gesetzlich gezwungen, unsere Häuser in Thermoskannen umzuwandeln. Vorbei die Zeit der gut beat- meten weil zugigen Altbauwohnung, jetzt kommen fast her- metisch abgedichtete Styropor ummantelte Wohncontainer. Schon das Aufmachen der Eingangstür mit einem saugend- schmatzenden Gegendruck signalisiert dem Eintretenden: hier ist Alles quasi vakuumverpackt. Sofern keine automatisch gesteu- erte Lüftungsanlage für Feuchtigkeitsabbau sorgt, sind damit Schimmelpilzprobleme durch Kondensationsphänomene in vie- len Fällen vorprogrammiert. Weitverbreitet ist auch der Irrtum, dass eine Schimmelpilzbelastung erst bei optisch erkennbarem Pilzwachstum vorliegt.
Über die in allen Fachkreisen akzeptierte Typ-1-Allergie hin- aus lösen Schimmelpilze alle Formen allergischer Reaktionen aus. Ein besonders gravierendes Problem stellt die Bildung von Mykotoxinen dar. Diese zählen zu den stärksten, in der Natur vorkommenden Giften. Die bisherige ärztliche Aus-, Weiter- und Fortbildung trägt der Bedeutung dieses Problems nicht annä- hernd Rechnung. Auf dem Symposium wird die Diskrepanz zwi- schen dem an Hochschulen akzeptierten Wissensstand in dem Bereich der Gesundheitsgefährdung durch Schimmelpilze und den umweltmedizinischen jahrelang gewonnenen Erfahrungen wissenschaftlich basierter Diagnostik und Therapie dargestellt.
Über die Toxikologie, die Immunologie und die Zellularpatho- logie soll die Pathogenese grundsätzlich einer Klärung zugeführt werden. So kann dann in Zukunft so manches chronifizierte Krankheitsbild, dessen Ätiologie bisher für Viele vollkommen im Dunkeln lag, erfolgreich therapiert werden. Die zugehöri- gen Behandlungswege sollen aufgezeigt und diskutiert wer- den. Das betrifft nämlich schon lange nicht mehr ausschließlich den Umweltmediziner, sondern den HNO-Arzt genauso wie den Dermatologen, den Rheumatologen wie den Orthopäden und den Neurologen wie den Psychiater. Sollte dies erfolgreich ver- mittelt werden können, so bestünde die Möglichkeit, zumindest in einem Teilbereich des großen Komplexes „Chronische Krank- heiten“ zu nachhaltigen Behandlungserfolgen zu kommen.
Ziel des Symposiums ist es einfache, zuverlässige und schnell handhabbare Diagnosepfade und notwendige therapeuti- sche Konsequenzen nach dem neuesten umweltmedizinischen Kenntniswstand zu vermitteln. Gerade die praktische Ausrichtung wird es ermöglichen, das am Vortragswochenende Gehörte unmittelbar am Wochenanfang in praktische Anwendung umzu- setzen. Neben vermehrten therapeutischen Erfolgen werden nicht zuletzt die Patientinnen und Patienten es Ihnen danken.
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Originalbeitrag in umwelt·medizin·gesellschaft | 24 | 4/2011 auf https://www.forum-medizin.de/umwelt-medizin-gesellschaft
Hier mit Einverständnis des dbu kopiert.