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REACH

Das REACH-Info "Beschränkungen und Verbote unter REACH" kann über den Webshop der BAuA bezogen werden. Eine Ausgabe im PDF-Format gibt es im Internetangebot der BAuA unter www.baua.de/dok/8847082. (5.05.2021)

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Zur neuen EU-Chemikalienpolitik REACH (2009) 

Eine Zusammenstellung, Kommentare und Anmerkungen von Ingrid Scherrmann zum Pressebericht

Pressebericht zur Abstimmung - Plenarsitzung vom 13.12.2006 in Straßburg (Zifferneinfügungen (1) bis (15): Scherrmann)

Diese Datei als pdf-Datei: zu_reach.pdf 

Europäisches Parlament verabschiedet neue EU-Chemikalienpolitik REACH

Das EP hat heute über eines der langwierigsten und kontroversesten Gesetzgebungsverfahren seiner Geschichte abgestimmt: die neue EU-Chemikalienpolitik REACH. REACH steht für Registrierung, Bewertung und Zulassung von Chemikalien. Künftig werden ca. 30.000 bislang nicht erfasste Chemikalien in einer zentralen Datenbank bei der neu gegründeten Agentur für chemische Stoffe mit Sitz in Helsinki registriert. (1) Die Verordnung tritt am 1. Juni 2007 in Kraft.

Ziel von REACH ist es, ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und für die Umwelt sicherzustellen sowie den freien Verkehr von Stoffen als solchen, in Zubereitungen oder in Erzeugnissen zu gewährleisten (2). Gleichzeitig sollen Wettbewerbsfähigkeit und Innovation verbessert sowie die Entwicklung alternativer Beurteilungsmethoden für von Stoffen ausgehende Gefahren gefördert werden. REACH fasst die 40 bisherigen Rechtstexte zum Chemikalienrecht in einer einzigen Verordnung zusammen.

529 Abgeordnete stimmten für den Kompromisstext, 98 dagegen, 24 enthielten sich. Berichterstatter Guido SACCONI (SPE, IT) sagte, die Einigung führe zu einem "ausgewogenen System", dass in der Lage sei die genannten Ziele zu erreichen. Um einen Kompromiss zu finden, habe man "den Himalaya besteigen müssen". EP-Präsident Josep BORRELL erklärte, mit der heutigen Abstimmung sei einer der "'komplexesten Texte in der Geschichte der EU" und ein außerordentlich wichtiges Gesetzespaket verabschiedet worden, das den europäischen Bürgerinnen und Bürgern Schutz biete vor den zahlreichen toxischen Substanzen unseres alltäglichen Lebens (3).

Von REACH neu erfasst werden Chemikalien, die bereits vor 1981 auf den Markt gebracht wurden und von denen jährlich mehr als 1t produziert oder importiert werden. Dies trifft auf rund 30.000 Stoffe zu. Über diese vor 1981 verwendeten Chemikalien liegen im Gegensatz zu den sog. "neuen Chemikalien", die nach 1981 auf den Markt gebracht wurden, nur unzureichende Informationen vor. (4)

Zulassung: Risiken müssen sich "angemessen beherrschen" lassen

Ein wichtiges Ziel von REACH ist es, in bestimmten Fällen sicherzustellen, dass besorgniserregende Stoffe letztendlich durch weniger gefährliche Stoffe oder Technologien ersetzt werden. (5)

Die Frage der Zulassung war lange Zeit heftig umstritten zwischen Parlament und Ministerrat. Die gefunden Einigung sieht nun vor, dass eine Zulassung nur dann erteilt wird, wenn sich die Risiken bei der Verwendung "angemessen beherrschen" lassen oder die Verwendung aus sozioökonomischen Gründen gerechtfertigt ist und keine geeigneten Alternativen zur Verfügung stehen, die wirtschaftlich und technisch tragfähig sind (6). Hersteller und Importeure - und nicht die Behörden - müssen nachweisen, dass die Stoffe sicher sind.

Sind "angemessene Alternativen verfügbar", muss ein Substitutionsplan einschließlich eines Zeitplans für die vorgeschlagenen Maßnahmen vorgelegt und die gefährliche Chemikalie durch die sichere Alternative ersetzt werden. (7) Existieren keine Alternativen, muss ein Forschungs- und Entwicklungsplan vorgelegt werden, in dem die Maßnahmen aufgeführt wird, die unternommen werden, um einen Alternativstoff zu finden (8).

Für Stoffe mit persistenten, bioakkumulierbaren und toxischen oder sehr persistenten und sehr bioakkumulierbaren Eigenschaften wird eine Zulassung nur dann erteilt, wenn nachgewiesen wird, dass der sozioökonomische Nutzen die Risiken überwiegt, die sich aus der Verwendung des Stoffes für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt ergeben, und wenn es keine geeigneten Alternativstoffe oder -technologien gibt. (9)

Zulassungen unterliegen einer befristeten Überprüfung und sind in der Regel an Auflagen, einschließlich einer Überwachung, geknüpft. Die Dauer der befristeten Überprüfungen wird für jeden Einzelfall festgelegt. Zulassungen werden so lange als gültig angesehen, bis die Kommission beschließt, die Zulassung im Rahmen einer Überprüfung zu ändern oder zu widerrufen, sofern der Zulassungsinhaber mindestens 18 Monate vor Ablauf des befristeten Überprüfungszeitraums einen Überprüfungsbericht vorlegt. Sacconi schätzt, dass 2500 bis 3000 gefährliche Substanzen zugelassen werden müssen (10).

Überprüfung innerhalb von zwölf bzw. sieben Jahren

Innerhalb von 12 Jahre nach Inkrafttreten von REACH wird geprüft, ob die Verpflichtung zur Durchführung einer Stoffsicherheitsbeurteilung und zur Erstellung eines Stoffsicherheitsberichts auch auf Stoffe angewendet werden soll, die dieser Verpflichtung nicht unterliegen, weil sie nicht registrierungspflichtig sind oder zwar registrierungspflichtig sind, jedoch in Mengen von weniger als 10 Tonnen pro Jahr hergestellt oder importiert werden (11).

Für Stoffe, die die Kriterien für die Einstufung als krebserzeugend, erbgutverändernd oder fortpflanzungsgefährdend erfüllen, ist die Überprüfung jedoch innerhalb von sieben Jahren vorzunehmen (12). Bei der Überprüfung berücksichtigt die Kommission die den Herstellern und Importeuren durch die Erstellung des Stoffsicherheitsberichts entstehenden Kosten, die Aufteilung der Kosten zwischen den Akteuren der Lieferkette und den nachgeschalteten Anwendern sowie den Nutzen für die menschliche Gesundheit und die Umwelt (13).

Daten gewinnen, Risiken beurteilen, Risikomanagementmaßnahmen entwickeln

Hersteller und Importeure sind verpflichtet, Daten über die von ihnen hergestellten oder eingeführten Stoffe zu gewinnen, diese Daten zur Beurteilung der stoffspezifischen Risiken zu nutzen und geeignete Risikomanagementmaßnahmen zu entwickeln und zu empfehlen. Damit diese Verpflichtungen auch eingehalten werden sowie aus Gründen der Transparenz muss im Rahmen der Registrierung bei der Agentur ein Dossier mit all diesen Informationen eingereicht werden.

Sorgfaltspflicht: Menschliche Gesundheit und Umwelt nicht schädigen

REACH schreibt fest, dass die Industrie Stoffe mit einer solchen Verantwortung und Sorgfalt herstellen, einführen, verwenden oder in den Verkehr bringen muss, dass die menschliche Gesundheit und die Umwelt nicht geschädigt werden

Alle vorliegenden relevanten Informationen über Chemikalien müssen gesammelt werden, um gefährliche Eigenschaften zu ermitteln. (14) Empfehlungen über Risikomanagementmaßnahmen sind systematisch entlang der gesamten Lieferkette weiterzuleiten, so dass schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit oder die Umwelt vermieden werden.

Vermeidung von Tierversuchen

Ein wichtiges Anliegen für das EP war die Vermeidung unnötiger Tierversuche. REACH verlangt daher, dass die Kommission, die Mitgliedstaaten, die Industrie und die anderen Beteiligten "weiterhin auf internationaler und nationaler Ebene einen Beitrag zur Förderung alternativer Testmethoden leisten". Dies schließt etwa computergestützter Methoden oder geeignete In-vitro-Methoden ein.

Die Strategie zur Förderung alternativer Testmethoden ist ein "vorrangiges Anliegen". Die Kommission muss daher sicherstellen, dass sie dies im Rahmen ihrer künftigen Forschungsrahmenprogramme und -initiativen wie dem Aktionsplan der Gemeinschaft für den Schutz und das Wohlbefinden von Tieren 2006-2010 auch bleibt. (15)

Informationen über vorgeschlagene Testreihen, die Versuche an Wirbeltieren beinhalten, werden auf der Website der Agentur veröffentlicht. Diese veröffentlicht den Namen des Stoffes, den Gefahren-Endpunkt, für den Wirbeltierversuche vorgeschlagen werden, und den Termin, bis zu dem Informationen von Dritten vorgelegt werden müssen. Um Tierversuche zu vermeiden, fordert die Agentur Dritte auf, innerhalb von 45 Tagen wissenschaftlich fundierte Informationen und Studien vorzulegen, die sich auf den jeweiligen Stoff und Gefahren-Endpunkt beziehen, der Gegenstand des vorgeschlagenen Versuchsprogramms ist. (20)

Quelle: Referat Redaktion und Veröffentlichung E-Mail: Presse-de@europarl.europa.eu

http://www.europarl.de

***

Die REACH Verordnung wurde am 30.12.2006 im Amtsblatt der EU veröffentlicht:

Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), zur Schaffung einer Europäischen Agentur für chemische Stoffe, zur Änderung der Richtlinie 1999/45/EG und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 793/93 des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 1488/94 der Kommission, der Richtlinie 76/769/EWG des Rates sowie der Richtlinien 91/155/EWG, 93/67/EWG, 93/105/EG und 2000/21/EG der Kommission (850 Seiten)

http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/site/de/oj/2006/l_396/l_39620061230de00010851.pdf

Weitere Informationen zu REACH finden Sie im Internet unter

http://www.reach-info.de/

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Wikipedia:

Mit der Verordnung steht allerdings nur das theoretische Grundgerüst des neuen EU-Chemikalienrechts. Über die tatsächliche Umsetzung und damit auch über die Praktikabilität und Kosteneffizienz der Regelungen entscheiden letztlich die verschiedenen technischen Leitfäden, die von der EU-Kommission zurzeit entwickelt werden. Allein die für die Unternehmen bestimmten zehn verschiedenen „Umsetzungshilfen" umfassen gegenwärtig mehrere tausend Seiten.

http://de.wikipedia.org/wiki/REACH-System


Anmerkungen Scherrmann  zum obigen Pressebericht (unter IS)

A) Termin der Abstimmung

Im deutschsprachigen Internet (recherchiert über "google alert" mit den Einträgen "Chemikalienverordnung REACH", "Chemikalienpolitik REACH" und mit Hilfe der Suche auf www.google.de mit dem Eintrag "Chemikalienpolitik REACH Dezember 2006") fanden sich wenige und weitgehend unkritische Kommentare zur neuen Chemikalienverordnung. Die Termine der Abstimmungen und der Veröffentlichung wurden wohl so gewählt, dass sie von der Öffentlichkeit möglichst wenig wahrgenommen wurden.

B) Zum Wortlaut des obigen Protokolls:

(Zitat: Kursiv. Unter "Gesetzestext" verstehe ich den 850-Seiten-Text vom 30.12.2006 im Amtsblatt der EU http://eurlex.europa.eu/)

1) Künftig werden ca. 30.000 bislang nicht erfasste Chemikalien in einer zentralen Datenbank bei der neu gegründeten Agentur für chemische Stoffe mit Sitz in Helsinki registriert.

Scherrmann:

Da es "30 000 bislang nicht erfasste Chemikalien" gibt, ist es auch nicht verwunderlich, dass die Meinung vorherrscht, es sei nicht wahrscheinlich, dass Menschen durch einzelne oder mehrere dieser 30 000 Chemikalien krank werden können.

Die neugegründete Agentur wird eine Schlüsselrolle bei der Risikobewertung bzgl. der Schädlichkeit von Chemikalien einnehmen. Im Gesetzestext (TITEL X, S. 174ff) werden die Formalien auf 35 Seiten erläutert. Ob die Agentur aber letztlich eher für die Bürgerinnen und Bürger oder eher im Sinne der Industrie arbeiten wird, hängt insbesondere von Einstellung und Hintergrund der verantwortlichen Personen in den verschiedenen dort aufgeführten Gremien ab.

2) Ziel von REACH ist es, ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und für die Umwelt sicherzustellen sowie den freien Verkehr von Stoffen als solchen, in Zubereitungen oder in Erzeugnissen zu gewährleisten.

Scherrmann:

Dieses Ziel ist gut, doch ob "ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und für die Umwelt" erreicht wird, wird sich ganz essentiell erst im Detail bei der Gestaltung und Einhaltung der Umsetzungsrichtlinien entscheiden.

3) (Es) sei ... ein außerordentlich wichtiges Gesetzespaket verabschiedet worden, das den europäischen Bürgerinnen und Bürgern Schutz biete vor den zahlreichen toxischen Substanzen unseres alltäglichen Lebens.

Scherrmann:

Mit dieser Formulierung wird indirekt bestätigt, dass es tatsächlich "zahlreiche toxische Substanzen unseres alltäglichen Lebens" gibt und dass bisher zu wenig Schutz besteht.

4) Über diese vor 1981 verwendeten Chemikalien liegen im Gegensatz zu den sog. "neuen Chemikalien", die nach 1981 auf den Markt gebracht wurden, nur unzureichende Informationen vor.

Scherrmann:

Es ist vor allem wichtig, eine Verständigung darüber zu erzielen, was eine "ausreichende Information" ist. Um ausreichende Informationen zu haben, ist es z. B. unabdingbar, sämtliche schon vorhandenen wissenschaftlichen Veröffentlichungen zu gesundheitsrelevanten Erkenntnissen zur Wirkung der "alten" und der "neuen" Chemikalien zu sammeln, zu analysieren, zu bewerten und zu nutzen. Das gilt auch für das bekannte Schädigungspotential einzelner Chemikalien in sogenannten Niedrigdosen bei Langzeitexposition.

Insbesondere bzgl. des Zusammenhangs zwischen Chemikalien und den Volkskrankheiten gibt es eine große Anzahl von toxikologischen und epidemiologischen Erkenntnissen, bereits bzgl. der "alten Chemikalien", die aber bis jetzt weitgehend unberücksichtigt bleiben.

Um ausreichende Stoffinformationen zu haben, müsste also gleichzeitig eine krankheitsbezogene Datenbank aufgebaut werden, in der das schon vorhandene und das künftige Wissen zu gesundheitsschädigenden Wirkungen von Chemikalien systematisch erfasst und sichtbar gemacht wird. Z. B. sollten dort unter dem Stichwort "Asthma" alle schon vorhandenen Veröffentlichungen zusammengetragen werden, die Zusammenhänge zwischen bestimmten Chemikalien und der Entstehung von Asthma und der Auslösung von Asthmaanfällen beschreiben.

Nur durch eine Verknüpfung möglichst aller vorhandenen Erkenntnisse über eine bestimmte Chemikalie kann eine umfassende Bewertung vorgenommen werden.

5) Ein wichtiges Ziel von REACH ist es, in bestimmten Fällen sicherzustellen, dass besorgniserregende Stoffe letztendlich durch weniger gefährliche Stoffe oder Technologien ersetzt werden.

Scherrmann:

Die Formulierung "besorgnis erregende Stoffe" suggeriert, dass es nicht um krankmachende Stoffe geht, sondern um Stoffe, die eine Besorgnis auslösen.

Die Formulierung "in bestimmten Fällen" bedeutet wohl, dass dies nicht generell sicherzustellen ist.

Auch hier wird durch den Nachsatz "weniger gefährliche Stoffen" indirekt zugegeben, dass viele gefährliche Stoffe im Handel sind. "Weniger gefährlich" ist auch "gefährlich".

Diese Formulierungen zeigen, dass diese Begriffe nicht mit toxikologischen und epidemiologischen Daten in Verbindung gebracht werden.

6) Die gefundene Einigung sieht nun vor, dass eine Zulassung nur dann erteilt wird, wenn sich die Risiken bei der Verwendung "ange messen beherrschen" lassen oder die Ver wendung aus sozioöko nomischen Gründen gerecht fertigt ist und keine geeigneten Alternativen zur Verfügung ste hen, die wirtschaftlich und technisch trag fähig sind.

Scherrmann:

Was bedeutet "angemessen"?

Wer evaluiert mit welchen Methoden eine schadstoffbedingte Mortalitätsrate in der Bevölkerung?

Wie hoch dürfen die stochastischen Schäden angesetzt werden, um die Risiken als "angemessen beherrschbar" definieren zu können?

Es kann wohl auch in Zukunft für jedwede hochtoxische Chemikalie eine Ausnahmegenehmigung geben, wenn sie nur mit den hier unter "oder" angegebenen Argumenten begründet wird.

7) Sind "angemessene Alternativen verfügbar", muss ein Substitutionsplan einschließlich eines Zeitplans für die vorgeschlagenen Maßnahmen vorgelegt und die gefährliche Chemikalie durch die sichere Alternative ersetzt werden.

Scherrmann:

Alternativen haben ein anderes, weniger bekanntes und nicht notwendigerweise günstigeres Nutzen-Risiko-Profil.

Die Geschichte der Substanzentwicklungen im letzten Jahrhundert (z. B. in der Linie DTT---> PCP+ Lindan ---> Pyrethroide) hat uns gezeigt, dass Alternativen i. a. raffinierter hergestellte Chemikalien sind, damit "alte Märkte" wieder beliefert werden können und/oder neue Märkte erschließbar sind. Die Alternativen wurden jeweils immer zuerst jahrzehntelang als sicher angepriesen. Dass die eingeforderten Alternativen deshalb sicherer sind, ist nach den Erfahrungen des letzten Jahrhunderts also keineswegs gewährleistet, insbesondere weil Erkenntnisse über gesundheitliche Schädigungen durch sog. Niedrigdosen oft erst nach Jahren oder Jahrzehnten bekannt werden. Eine Substitution, auch wenn sie als sicher eingeführt wird, muss also nicht zwangläufig mehr Schutz vor gesundheitlichen Schädigungen bieten.

8) Existieren keine Alternativen, muss ein Forschungs- und Entwicklungsplan vorgelegt werden, in dem die Maßnahmen aufgeführt wird, die unternommen werden, um einen Alternativstoff zu finden.

Scherrmann:

Dieser Passus bedeutet wohl, dass Menschen jahrelang weiterhin geschädigt werden können, selbst wenn die Schädigung nicht mehr geleugnet werden kann.

9) Für Stoffe mit persistenten, bioakkumulierbaren und toxischen oder sehr persistenten und sehr bioakkumulierbaren Eigenschaften wird eine Zulassung nur dann erteilt, wenn nachgewiesen wird, dass der sozioökonomische Nutzen die Risiken überwiegt, die sich aus der Verwendung des Stoffes für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt ergeben, und wenn es keine geeigneten Alternativstoffe oder -technologien gibt.

Scherrmann:

Während ein sozioökonomischer Nutzen im Sinne von Arbeitsplatzsicherung und Gewinnmaximierung noch relativ einfach darzustellen ist, ist die Bezifferung der Risiken – d.h. die Abschätzung der direkten und indirekten Kosten für tatsächlich eingetretene, besonders auch nachhaltige Schäden, weitaus schwieriger.

Bedeutsam in diesem Zusammenhang ist nämlich, dass die Industrie nach geltendem Recht in den EU-Ländern für produktbedingte gesundheitliche Schäden, insbesondere wenn sie durch Langzeitschädigungen im sog. Niedrigdosisbereich eintreten, nicht oder nur in sehr geringem Umfang aufkommen muss.

Die Kosten von schadstoffinduzierten Krankheiten gehen – mit wenigen Ausnahmen - zu Lasten der Sozialsysteme und der einzelnen Patienten.

Somit ist eine Kosten-Nutzen-Abwägung, die die Folgekosten nicht mit einbezieht, völlig unzureichend.

Um ein effektives Chemikalienrecht zu schaffen, das tatsächlich die nachhaltige Erhaltung der menschlichen Gesundheit zum Ziel hat, müsste also zuerst eine andere Rechtsgrundlage bzgl. der Haftung und bzgl. der Beweislast geschaffen werden.

10) Sacconi schätzt, dass 2500 bis 3000 gefährliche Substanzen zugelassen werden müssen:

Scherrmann:

Hier erübrigt sich jeder Kommentar.

11) Innerhalb von 12 Jahre nach Inkrafttreten von REACH wird geprüft, ob die Verpflichtung zur Durchführung einer Stoffsicherheitsbeurteilung und zur Erstellung eines Stoffsicherheitsberichts auch auf Stoffe angewendet werden soll, die dieser Verpflichtung nicht unterliegen, weil sie nicht registrierungspflichtig sind oder zwar registrierungspflichtig sind, jedoch in Mengen von weniger als 10 Tonnen pro Jahr hergestellt oder importiert werden.

Scherrmann:

Dies bedeutet, dass Stoffe, die zwar hochtoxisch sind, "jedoch in Mengen von weniger als 10 Tonnen pro Jahr hergestellt oder importiert werden", für die nächsten 12 Jahre ohne Auflagen weiter produziert und in Umlauf gebracht werden können. Dazu Prof. Troge in der Presse-Information vom Umweltbundesamt 06/04, Berlin, den 16.01.2004 "Mit REACH den Umgang mit Chemikalien verbessern" (http://www.umweltbundesamt.de/uba-info-presse/2004/pd04-006.htm ): "Die Datenanforderungen für Stoffe, die mit weniger als zehn Tonnen pro Jahr produziert werden, sind so stark zurückgeschraubt, dass eine verlässliche Einschätzung des Umweltrisikos nicht mehr möglich ist. Dies betrifft den Großteil der 30.000 im Umgang befindlichen Chemikalien, die über das Wasser, die Luft und den Abfall in die Umwelt gelangen und denen die Verbraucherinnen und Verbraucher täglich ausgesetzt sind. In diesem Punkt bleibt die REACH-Verordnung sogar hinter der Selbstverpflichtung der deutschen Chemieindustrie von 1997 zurück."

12) Für Stoffe, die die Kriterien für die Einstufung als krebserzeugend, erbgutverändernd oder fortpflanzungsgefährdend erfüllen, ist die Überprüfung jedoch innerhalb von sieben Jahren vorzunehmen.

Scherrmann:

Bei der "Einstufung als krebserzeugend, erbgutverändernd oder fortpflanzungsgefährdend" wird der Agentur eine zentrale Rolle zukommen (siehe 1) und 4))

13) Bei der Überprüfung berücksichtigt die Kommission die den Herstellern und Importeuren durch die Erstellung des Stoffsicherheitsberichts entstehenden Kosten, die Aufteilung der Kosten zwischen den Akteuren der Lieferkette und den nachgeschalteten Anwendern sowie den Nutzen für die menschliche Gesundheit und die Umwelt.

Scherrmann:

Auch bei dieser "Kosten-Nutzen-Rechnung wird den "Kosten" für Industrie und Handel, der "Nutzen für die menschliche Gesundheit" gegenübergestellt. Spätestens hier wird klar, dass vermieden wird, über die Kosten, die dem Gesundheitssystem, den Rentenkassen und den einzelnen Bürgerinnen und Bürgern aufgrund von Chemikalieninduzierten Krankheiten entstanden sind, entstehen und entstehen werden, nachzudenken.

Zudem: "Die direkten Kosten, die sich aus den Datenanforderungen durch REACH ergeben, summieren sich EU-weit auf etwa 4 Mrd. Euro. Verteilt auf die Vorlaufzeit von 11 Jahren bedeutet dies für die europäische Chemiebranche einen jährlichen Kostenanteil in Höhe von 0,06 Prozent ihres Umsatzes. Mehrere Studien stützen diese Einschatzung, mit der auch die EU-Kommission arbeitet. Der Verband der Europäischen Chemischen Industrie (CEFIC) errechnet dagegen einen Kostenanteil für REACH in Hohe von 0,12 Prozent des Branchenumsatzes" (Quelle: "REACH für Anwender", Herausgeber: Umweltbundesamt, Kapitel "Der Preis für Rohöl macht wöchentlich größere Sprünge als die Zusatzkosten durch REACH, S. 29

14) REACH schreibt fest, dass die Industrie Stoffe mit einer solchen Verantwortung und Sorgfalt herstellen, einführen, verwenden oder in den Verkehr bringen muss, dass die menschliche Gesundheit und die Umwelt nicht geschädigt werden Alle vorliegenden relevanten Informationen über Chemikalien müssen gesammelt werden, um gefährliche Eigenschaften zu ermitteln.

Scherrmann:

Die unterschiedlichen Auffassungen von Verantwortung, Sorgfalt, Schädlichkeit und Schutz resultieren m. E. auch daraus, dass unter "schädlicher Auswirkung auf die menschliche Gesundheit" i. a. der unmittelbare Tod als Sofortreaktion auf eine Emission (Chemikalie, Strahlung) definiert wird, also wenn ein nicht weg zudiskutierender eindeutiger Zusammenhang zwischen Emission und Tod besteht, wie z. B. in Hiroshima, Bophal, Seveso.

Gesundheitliche Langszeitschädigungen, insbesondere durch Chemikalien-Belastungen im sog. Niedrigdosisbereich, werden systematisch - so weit irgend möglich - ignoriert, also nicht als Schädigungspotential für die menschliche Gesundheit wahrgenommen und anerkannt.

Wenn dann noch Schadstoffinduzierte Krankheiten vorrangig als psychisch bedingte Krankheiten definiert werden und nicht erkannt und nicht diskutiert wird, dass diese Sicht von industrienahen Wissenschaftlern und Ärzten verbreitet wird, wird sich daran nichts Grundsätzliches ändern.

15) Die Strategie zur Förderung alternativer Testmethoden ist ein "vorrangiges Anliegen". Die Kommission muss daher sicherstellen, dass sie dies im Rahmen ihrer künftigen Forschungsrahmenprogramme und -initiativen wie dem Aktionsplan der Gemeinschaft für den Schutz und das Wohlbefinden von Tieren 2006-2010 auch bleibt.

Scherrmann:

Dass ein ganzer Abschnitt dem Schutz und auch dem Wohlbefinden von Tieren gewidmet wird, ist wichtig und richtig. Aber: Es ist bemerkenswert, dass das Wohlbefinden der Menschen weder im Protokoll noch im Gesetzestext erwähnt wird, dass keine weitergehende Erläuterung zu den schädlichen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit vorliegt. Der Terminus "Krankheit" findet sich nur im Zusammenhang mit Berufskrankheiten. Der Begriff "Kinder" kommt im gesamten Gesetzestext nur zweimal vor. (Seite 247 bzgl. der Ermittlung des DNEL-Werts/der DNEL-Werte (Derived No-Effect Level) und Seite 399: "Mit dieser Flüssigkeit gefüllte Lampen sind für Kinder unzugänglich aufzubewahren".)

C) Resümee:

Dass es äußerst schwierig ist und viel Fachwissen erfordert, ein Chemikalienrecht auf den Weg zu bringen, das den verschiedenartigen Ansprüchen auch nur annähernd gerecht wird, steht außer Zweifel. Das nun vorliegende EU-Chemikaliengesetz REACH ist m. E. zwar ein Schritt in die richtige Richtung, aber insgesamt unzureichend.

Ausgehend vom vorliegenden Protokoll ist unter anderem ersichtlich,

- dass es auch in Zukunft nicht schwierig sein wird, kritische Ergebnisse unter Verschluss zu halten

- wie wenig auch weiterhin die Verbraucherinnen und Verbraucher geschützt werden

- dass der Schutz der Gesundheit unserer Kinder und Enkel in der neuen Gesetzgebung keinen adäquaten Niederschlag findet

- dass die Weichen so gestellt wurden, dass es nicht für dringlich erachtet wird, Grundprobleme unserer Zivilisation wie die Zunahme der Chemisierung, kritisch zu hinterfragen, weil die Bürgerinnen und Bürger im Glauben gehalten werden, sie und die Umwelt seien vor schädlichen Wirkungen durch Chemikalien geschützt

- dass Erkenntnisse über das schon vorhandene Ausmaß von Chemikalieninduzierten Krankheiten ignoriert und verdrängt werden und von Seiten der EU-Politik die Weichen nun so gestellt wurden, dass dies auch in Zukunft so bleiben kann.

Das neue Chemikaliengesetz wäre dann und nur dann von größerem Vorteil für die Bürgerinnen und Bürger der EU, wenn eine ähnliche Entwicklung wie im Nahrungsmittelbereich einsetzen würde. Hier haben die verschiedenen Skandale der letzten Jahre und wohl auch die zunehmende Erkenntnis, dass von Seiten der Politik unzureichender Schutz vorliegt, die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland veranlasst, vermehrt Nahrungsmittel aus biologischem Anbau zu kaufen. Auf dem Gebiet der Nahrungsmittel gibt es echte Alternativen. Im Bereich von Chemikalien ist es weit schwieriger, sich für Alternativen zu entscheiden.

Es bleibt zu hoffen, dass die Medien auch im Bereich von Chemikalien ihrem Auftrag nachkommen und die Bevölkerung vermehrt über die gesundheitsschädlichen Wirkungen von Chemikalien aufklären.

Die einzige effektive Möglichkeit, wie die Bürgerinnen und Bürger der EU sich tatsächlich ein hohes Schutzniveau schaffen können, sehe ich darin,

- dass sie generell ihr Kaufverhalten überdenken,

- sich weniger durch Werbung und Werbeversprechungen manipulieren lassen,

- sich im Einzellfall (z. B. im Baumaterialienbereich) kundig machen, um die schadstoffärmsten Materialien auswählen zu können,

und somit mit einer Veränderung ihres Kaufverhaltens auf die unzureichende EU-Chemikalienpolitik REACH reagieren.

Als Grundvoraussetzung müssten sie aber über die unzureichende Gesetzgebung und die schon bekannten Erkenntnisse über Zusammenhänge zwischen Chemikalien und Krankheiten aufgeklärt werden, denn nur so werden sie sich von der Notwendigkeit überzeugen lassen, selbst etwas zu einer gesünderen Umwelt beizutragen.


Weitere Kritikpunkte von  H. Breyer, P. Cameron, BUND, UBA, ... 


Von Hiltrud Breyer (MEP)

EP- Mogelpackung zu REACH

Es ist beschämend, dass das Europaparlament die EU-Chemikalienverordnung REACH zur Mogelpackung gemacht hat. Die giftfreie Zukunft für Mensch und Umwelt in Europa ist damit in weite Ferne gerückt. Die Abgeordneten sind in die Knie gegangen vor dem Lobbydruck der europäischen Chemieindustrie. Die Verordnung ist ein fauler Kompromiss, der ganz klar die Handschrift der deutschen Chemieunternehmen trägt. Diese haben umfangreiche Zugeständnisse bekommen.

Nachdem das Europaparlament nun so lange für den Umwelt- und Verbraucherschutz geblinkt hatte, ist es auf den letzten Metern zur Chemieindustrie abgebogen. Das Herzstück der verpflichtenden Substitution wurde herausgerissen. Es wird für Industrieunternehmen nur wenig Anreize geben, hochgefährliche Chemikalien durch harmlosere zu ersetzen. Es ist unverantwortlich, diesen Stoffen eine Autorisierung zu geben und sie am Markt zu belassen, selbst wenn es weniger schädliche machbare Alternativen gibt. Daher ist auch der geplante Substitutionsplan und adäquate Kontrolle reine Augenwischerei. Europäische Industriegifte werden weiter da auftauchen, wo sie nichts zu suchen haben, nämlich im Blut von Kinder und Erwachsenen, in der Muttermilch, im Trink- und Grundwasser und im Fettgewebe der Eisbären.

Es ist mehr als unverständlich, warum sich die Abgeordneten dem Diktat der Fraktion der Christdemokraten gebeugt haben. Eine Streichung der Forderungen, die die EPP in letzter Minute im Kompromiss durchgedrückt hatte, hätte kein Vermittlungsverfahren zur Folge gehabt. Denn bevor diese Verschlechterung eingebracht wurde, gab es eine Einigung zwischen Parlament und Rat.

Die Verordnung ist ein Hohn auf die Verbrauchertransparenz. Nur auf individuelle Anfrage können Verbraucher Auskunft über kanzerogene, erbgut- und fortpflanzungsschädigende Stoffe in Erzeugnissen erhalten (CMR Stoffe), Stoffe, die gar nicht erst in Erzeugnissen sein sollten. Bei weiteren toxischen Stoffen die z.B. leber- oder nervenschädigend wirken sind sie völlig entmündigt. Den Konsumenten wird das Recht verweigert, zu wissen was in ihren Konsumprodukten enthalten ist und Politik mit dem Einkaufswagen zu machen. Die Öffentlichkeit tappt möglicherweise auch im Dunkeln, wer die Mitglieder der zukünftigen EU-Chemikalienagentur sind und wie ihre Entscheidungen zustande kommen. Denn diese haben die Möglichkeit ihren Namen und finanziellen Interessen zu verbergen. Dies ist ein Unding und widerspricht dem Grundgedanken demokratischer Kontrolle. Nicht wenige der Chemikalien in Industrieprodukten die mit REACH ihren Freifahrschein behalten dürfen, haben verheerende Auswirkungen. Vor kurzem haben Wissenschaftler eine Liste vorgelegt mit 202 gebräuchlichen Industriechemikalien, die das Nervensystem und die geistige Entwicklung beeinträchtigen. Bei Kindern können diese Nervengifte in bestimmten Phasen der Hirnentwicklung zu unheilbaren Schäden führen. Ein Gehirn lässt sich nicht reparieren. Schon jetzt zeigt jedes sechste Kind Entwicklungsstörungen des Nervensystems wie Konzentrationsschwäche, Hyperaktivität bis hin zu Autismus - eine stille Pandemie.

Es bleibt die Hoffnung, dass der Groß- und Einzelhandel von sich aus Erzeugnisse mit hochgefährlichen Schadstoffen aus dem Sortiment nimmt, oder zumindest eine freiwillige Deklaration einführt. Ebenso bietet das gestartete parlamentarische Verfahren zur Pestizidgesetzgebung die Chance, die verpflichtende Substitution wieder ganz oben auf die Agenda zu setzen und die Verbraucher nicht noch mehr zu enttäuschen.

Mehr Infos: www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P6-TA-2006-0552+0+DOC+XML+V0//DE&language=DE

Studie zur Auswirkung von Chemikalien auf die Hirnentwicklung unter www.kevinleitch.co.uk/


Von Patricia Cameron, BUND:

REACH- Fauler Kompromiss

(BV) – Um 00:10 Uhr am 1. Dezember kam die lang ersehnte E-Mail aus Brüssel mit dem Betreff »REACH – final agreement«. Nach fünf Verhandlungsjahren über die Verordnung zur Registrierung, Evaluierung und Autorisierung von Chemikalien (REACH) haben sich EU-Parlament und Ministerrat endlich auf einen Kompromiss geeinigt. Doch das Ergebnis ist eine kolossale Enttäuschung und bleibt weit hinter dem zurück, was zum besseren Schutz von Mensch und Umwelt nötig gewesen wäre. Viele krebserregende und erbgutschädigende Substanzen und Schadstoffe, die wie Hormone wirken, können weiter vermarktet werden, auch wenn es sicherere Alternativen gibt. Die Gefährlichkeit der meisten Stoffe wird weiterhin im Dunkeln bleiben, weil sie nicht ausreichend auf ihre Folgen für Mensch und Umwelt getestet werden müssen. Verbraucher werden nicht genügend Informationen über gefährliche Substanzen in Alltagsprodukten bekommen, um sich bewusst für sichere Produkte entscheiden zu können.

Der Kompromissvorschlag, der am 13. Dezember im EU-Parlament und am 18. Dezember im EU-Ministerrat abgestimmt wird, trägt deutlich die Handschrift der chemischen Industrie – und der deutschen Bundesregierung.

Die umwelt- und verbraucherfreundlichen Positionen, die noch im Oktober im Umweltausschuss des Parlaments klare Mehrheiten bekamen, wurden weitest gehend ignoriert, industriefreundliche Positionen haben die Oberhand gewonnen. Dies ist zumindest zum Teil der Verdienst des deutschen Bundeskanzleramts, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Interessen der deutschen Chemieindustrie durchzusetzen.

REACH war eine einmalige Chance, Anreize dafür zu schaffen, gefährliche Stoffe durch sichere Alternativen zu ersetzen. Der jetzt vorliegende Kompromissvorschlag dagegen lenkt Investitionen in die falsche Richtung: Statt in die Erforschung von Alternativen zu investieren, werden Unternehmen ermutigt, Grenzwerte für ihre veralteten, gefährlichen Stoffe zu ermitteln, damit diese zugelassen werden können. Die Möglichkeiten, die REACH für mehr Chemikaliensicherheit bot, wurden größtenteils verspielt. Um als UmweltschützerIn wieder Visionen für eine Zukunft ohne Gift zu entwickeln, scheint man schon in Richtung eines REACH II denken zu müssen.

BUND-Projekt Chemikalienpolitik – Safer Chemicals, patricia.cameron@bund.net, http://www.bund.net/lab/


Gemeinsame Presseerklärung Von BUND, Greenpeace und WECF vom 13. Dezember 2006

REACH: Kaum geboren, schon geschwächt – BUND, Greenpeace und WECF kritisieren zu wenig Schutz vor Chemikalien

Straßburg/Berlin: Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Greenpeace und WECF (Women in Europe for a Common Future) kritisieren das heute vom Europäischen Parlament beschlossene EU-Chemikaliengesetz REACH als zu schwach. So dürften Krebs erregende, die Fruchtbarkeit schädigende und hormonell wirksame Chemikalien weiter vermarktet werden, selbst wenn sichere Ersatzstoffe vorhanden seien. Der Bundesregierung warfen die Verbände vor, den verbindlichen Ersatz besonders gefährlicher Risiko-Chemikalien verhindert zu haben.

Patricia Cameron, Chemikalienexpertin des BUND: „REACH hat das Gezerre um seine Verabschiedung glücklicherweise überlebt, ist im Ergebnis aber unzureichend. Ursprünglich sollten mit dem Gesetz Menschen und Umwelt besser vor giftigen Chemikalien geschützt werden. Mit der heute beschlossenen Verordnung können jedoch viele gesundheitsschädliche Chemikalien weiterhin in Konsumprodukten eingesetzt werden, auch wenn es sichere Alternativen gibt."

Greenpeace-Sprecherin Corinna Hölzel kritisierte, dass die Testanforderungen für ungefähr 20000 der 30000 von REACH erfassten Chemikalien auf Druck der Industrie stark abgeschwächt wurden: „Dank der gemeinsamen Bemühungen der deutschen Industrie und der Bundesregierung ist aus dem Löwen REACH ein zahmes Kätzchen geworden. Über die Gefährlichkeit vieler Stoffe wird man auch künftig erst durch Chemieskandale etwas erfahren. Solange giftige Chemikalien weiter vermarktet werden dürfen, besteht für die Industrie kaum Anreiz, Geld in die Entwicklung sicherer Alternativen zu investieren."

Nach der neuen Chemikalienverordnung bleiben Risiko-Chemikalien erlaubt, wenn die Hersteller behaupten, sie „angemes sen zu kontrollieren". REACH-Expertin des WECF, Daniela Rosche: „Es ist ein Skandal, dass Stoffe, die Fehlgeburten oder Entwicklungs störungen bei Föten hervorrufen können, nicht ersetzt werden müssen. Damit werden auch nachkommende Generationen mit den gefährlichen Stoffen belastet."

Die Verbände werten positiv, dass in Zukunft wenigstens die nicht abbaubaren und sich im menschlichen Körper anreichernden Stoffe durch Alternativen ersetzt werden müssen, sobald diese vorhanden sind. Auch könnten Stoffe, die in sehr großen Mengen hergestellt werden, nicht mehr ungetestet vermarktet werden. Zudem erlaube das Gesetz den Verbrauchern, von Firmen Informationen über einige besonders gefährliche Substanzen zu verlangen. Die Verbände kündigten an, die Umsetzung des Gesetzes kritisch zu begleiten.

Achtung Redaktionen: Rückfragen bitte bei Patricia Cameron vom BUND, Tel. 0049175-5963816, www.bund.net ;  www.greenpeace.de  http://www.wecf.org/


SPIEGEL ONLINE - 28. Januar 2007

Lobbyismus in der EU. Kapitulation im Kampf gegen die Krebserreger
Von Nils Klawitter
Die EU hat gerade die große neue Chemierichtlinie verabschiedet, die
Verbraucher vor Tausenden Giften schützen soll. Tatsächlich ist eher sie
selbst ein Sicherheitsrisiko - denn die Industrie hat Europas Politiker
weichgekocht. Ein Lehrstück für Lobbyisten. ...

Mehr unter: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,461994,00.html


Bundesumweltministerium Deutschland

Berlin, 18.12.2006 Umweltrat verabschiedet REACH

Chemikalienverordnung tritt am 1. Juni in Kraft

Die EU-Umweltminister haben heute in Brüssel die Chemikalienverordnung REACH beschlossen. Damit wird eine mehrjährige Diskussion über die Reform der europäischen Chemikalienpolitik abgeschlossen. Europaparlament, Rat und Kommission hatten sich Anfang Dezember auf einen Kompromisstext geeinigt, der heute formal angenommen wurde.

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel begrüßte die Entscheidung als großen Fortschritt für den Umwelt- und Gesundheitsschutz. Gabriel: "Bislang wissen wir zu wenig über Chemikalien und ihre möglichen Risiken. Risiken, die wir nicht kennen, können wir aber auch nicht beherrschen. REACH wird dies ändern und einen verantwortlichen Umgang mit Chemikalien ermöglichen."

Mit REACH sollen außerdem die Wettbewerbsfähigkeit und die Innovationskraft der europäischen Industrie gestärkt werden. Gabriel ist überzeugt, dass auch dieses Ziel erreicht wird: "Das neue Wissen über Stoffeigenschaften birgt ein großes Potenzial für technologische Innovationen. Unternehmen werden es nutzen, um ihre Verfahren zu optimieren und neue Produkte zu entwickeln."

REACH steht für Registrierung, ... http://www.bmu.de/


UBA: Presse-Information 078/2006, Dessau, den 12.12.2006

Neues EU-Chemikalienrecht nützt Mensch und Umwelt – aber es birgt Potential für mehr

Mit der zweiten Lesung im Europäischen Parlament rückt REACH näher

Die neue europäische Chemikalienverordnung REACH ist auf der Zielgerade: Derzeit findet die zweite Lesung im Europäischen Parlament in Straßburg statt. REACH schreibt erstmals vor, Chemikalien in der Europäischen Union systematisch auf ihre Umwelt- und Gesundheitswirkungen zu prüfen. Und noch etwas ist neu: Nicht die Behörden, sondern die Hersteller und Importeure müssen die Sicherheit der Chemikalien und der aus diesen hergestellten Produkten hinsichtlich der menschlichen Gesundheit und der Umwelt nachweisen. Mehr Transparenz für alle Marktteilnehmer über Risiken wird zu besser umwelt- und gesundheitsverträglichen Produkten und sichereren Herstellungsprozessen führen. Der Präsident des Umweltbundesamtes (UBA) Prof. Dr. Andreas Troge: „Was bei elektrischen Geräten oder Automobilen schon lange gang und gäbe ist, gilt endlich auch für Chemikalien und die daraus hergestellten Produkte: Sie sind auf ihre Sicherheit geprüft." REACH wird den Gesundheits- und Umweltschutz in der EU entscheidend verbessern. Aber ausgerechnet bei besonders gefährlichen Stoffen lässt REACH die notwendige Konsequenz vermissen.

REACH verbessert das gültige Chemikalienrecht grundlegend. Die innovationsfeindliche Unterscheidung zwischen Alt- und Neustoffen fällt weg: „Alt" sind Chemikalien, die schon vor 1981 auf dem Markt waren. Sie durften bisher ohne behördliche Prüfung hergestellt und verwendet werden. Neustoffe, also nach 1981 vermarktete Chemikalien, mussten die Hersteller und Importeure bei den Behörden anmelden, verbunden mit relativ aufwändigen und teuren Prüfungen. Das erschwerte die Vermarktung neuer Stoffe; alte – auch problematische – Stoffe genossen Marktvorteile.

Zukünftig müssen Hersteller und Importeure für alle Chemikalien die Wirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt untersuchen. Sie müssen die sichere Produktion und Verwendung darlegen. Dieser Wechsel der Verantwortung für die Sicherheit der Chemikalien und der daraus hergestellten Produkte ist das zentrale Prinzip von REACH.

Leider setzt sich dieses Prinzip gerade bei besonders kritischen Chemikalien nicht konsequent fort. So schlägt das UBA seit Jahren vor, besonders langlebige Chemikalien, die sich in Organismen anreichern und giftig sind, möglichst zu ersetzen. Es handelt sich dabei um Stoffe mit persistenten, bioakkumulierenden und toxischen (PBT) Eigenschaften, also um so genannte PBT-Stoffe. Diese sind zwar nach REACH zulassungspflichtig, das heißt, die EU-Kommission muss ihren Einsatz genehmigen. Aber: Einige PBT-Stoffe sind mit den REACH-Kriterien gar nicht als kritisch erkennbar. Hier sind Nachbesserungen nötig. Die in den Verhandlungen vereinbarte „Überprüfungsklausel" könnte Abhilfe schaffen. Sie sieht vor, mehr Gewicht auf wissenschaftliche Erkenntnisse und Messwerte aus der Umweltbeobachtung zu legen. Über diese Ergänzung – und weitere Änderungen – entscheidet das EU-Parlament in Straßburg. Sie sind Teil einer Kompromisslösung zwischen Kommission, Rat und Parlament, die morgen zur Abstimmung steht.

Zum Kompromisspaket gehört ebenfalls die Verpflichtung, besonders kritische, zulassungspflichtige Chemikalien durch weniger gefährliche Stoffe zu ersetzen. Diese Regel gilt jedoch nicht für Chemikalien, die auf das Hormonsystem wirken. Sie dürfen weiter zum Einsatz kommen, falls die Risiken für Mensch und Umwelt angemessen beherrschbar sein sollten. Was aber bedeutet „angemessen beherrschbar"? Und wer kontrolliert dies? Hier bleibt REACH noch immer hinter den eigenen Ansprüchen zurück. Positiv ist, dass der Kompromiss wenigstens vorsieht, auch diese Regelung nach sechs Jahren auf EU-Ebene zu überprüfen.

Ein dritter Aspekt blieb leider bei den Verhandlungen auf der Strecke: Für Stoffe mit einer jährlichen Produktions- oder Importmenge unter zehn Tonnen – das ist etwa das Fassungsvermögen eines mittelgroßen Lkw – müssen die Hersteller und Importeure nicht generell, sondern nur bei konkreten Hinweisen auf eine besondere Gefährdung Daten zu den Wirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt vorlegen. Wie aber lassen sich Gefährdungen ohne diese Informationen erkennen? Bei diesen Stoffen müssen – im Gegensatz zum Prinzip von REACH – nicht die Hersteller oder Importeure, sondern wieder die Behörden nachweisen, dass die Stoffe potenziell gefährlich sind. Deshalb sollten die Hersteller und Importeure verpflichtet werden, nachzuweisen, dass die Bedingungen für geringere Datenanforderungen gegeben sind. Schon jetzt appelliert das UBA, dass Hersteller und Importeure dies freiwillig tun.

Diese Unzulänglichkeiten sollten jedoch nicht die Gesamtbilanz trüben: REACH ist ein Sprung nach vorne zu mehr Chemikaliensicherheit für Gesundheit und Umwelt. Endlich wird es nicht mehr belohnt, über einen Stoff möglichst wenig zu wissen; und die Stoffanwender erhalten echte Informationen über die Risiken der Stoffe, mit denen sie umgehen.

Das UBA beteiligt sich aktiv an der Ausgestaltung des neuen Chemikalienrechts und unterstützt Unternehmen sowie Vollzugsbehörden bei der Vorbereitung auf REACH. Mit Workshops, Forschungsprojekten und Informationsangeboten bietet das UBA eine breite Palette an praxisnahen Arbeitshilfen.

Weitere Informationen zu REACH finden Sie im Internet unter

http://www.reach-info.de/


BAUA (Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin)

Chemikalien sollen generell so hergestellt und angewendet werden, dass negative Auswirkungen auf Mensch und Umwelt möglichst gering bleiben.

Im September 2002 beschlossen die teilnehmenden Staaten des Weltgipfels in Johannesburg, dass dieses ehrgeizige Ziel im Jahre 2020 erreicht sein soll. Doch die Realität sieht noch anders aus. Für rund 95% der Chemikalien, die derzeit auf dem Markt sind, liegen keine ausreichenden Daten vor, um überhaupt Aussagen zu ihren Auswirkungen auf den Menschen und die Umwelt zu machen. Auch im hochindustrialisierten Europa ist es nicht anders. Es fehlen Informationen über all die Stoffe, die uns in unserem Alltag begleiten. Aus diesem Grund wurde eine grundlegende Reform des europäischen Chemikalienrechts auf den Weg gebracht: REACH.

REACH, das steht für Registration, Evaluation, Authorisation of Chemicals (Registrierung, Bewertung und Zulassung von Chemikalien). Mit dieser neuen Gesetzgebung soll das Chemikalienrecht europaweit vereinheitlicht und vereinfacht werden. Gleichzeitig soll aber auch der Wissensstand über die Gefahren und Risiken erhöht werden, die von Chemikalien ausgehen können. Im Jahre 2003 stellte die europäische Kommission einen ersten Text-Entwurf vor, der seit dem teilweise im Rat und Parlament recht kontrovers diskutiert wurde. Die Verhandlungen sind erfolgreich am 18.12.2006 abgeschlossen worden und die REACH-Verordnung wurde am 30.12.2006 im Amtsblatt der EU veröffentlicht.

Als zuständige Behörde für die Anmeldung von Neustoffen und für das Meldeverfahren für Altstoffe verfügt die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) bereits über breite Erfahrungen in der Erfassung von Daten und Bewertung von chemischen Stoffen. Vieles von dem, was REACH vorsieht, entspricht der heutigen Praxis - insbesondere in Bezug auf die Neustoffe. Welche Vor- und Nachteile sich aus dem REACH-Entwurf von 2003 (und auch in den Vorschlägen anderer Mitgliedsstaaten zu REACH) aus Sicht der Anmeldestelle der BAuA in der Praxis ergeben hätten, ist an Hand einiger ausgewählter Stellungnahmen dargestellt.

Unterstützung bei der praktischen Umsetzung der neuen REACH-Verordnung finden Sie auf unserer Helpdesk-Seite.

Webadresse nicht mehr oder unter geaenderter Adresse im Netz


Euractiv: /Europäische Agentur für chemische Stoffe)

Linkdossier zu Reform der EU-Chemikalienpolitik (REACH)

Erschienen: Mittwoch 11. August 2004 | Aktualisiert: Freitag 5. Januar 2007

http://www.euractiv.com


STIMMEN DER INDUSTRIE

Bund der deutschen Industrie (BDI)

Der politische Prozess zur Etablierung einer neuen EU-Stoffpolitik (REACH) ist mit der am 13.12.2006 und 18.12.2006 erfolgten Verabschiedung durch das Europäische Parlament und den Rat abgeschlossen. Die Industrie steht nun vor der Aufgabe, das größte umweltpolitische Gesetzeswerk der EU umzusetzen, hiermit Erfahrungen zu sammeln und diese erforderlichenfalls in Verbesserungsvorschläge für eine spätere Revision der Verordnung einfließen zu lassen. Im Fokus werden hier beispielsweise Verbesserungen zur Sicherstellung gleicher Wettbewerbsbedingungen für importierte Erzeugnisse und EU-Erzeugnisse stehen. Hieran zeigt sich einmal mehr die branchenübergreifende Bedeutung von REACH. Der nunmehr erreichte Stand enthält eine ganze Reihe von Verbesserungen gegenüber früheren Konzepten, insofern hat sich die sorgfältige und sachbezogene Argumentation der Industrie über viele Jahre hinweg ausgezahlt. Die unstrittigen Ziele von REACH sind nun widerspruchsfrei, intern wie auch gegenüber anderen Rechtsbereichen, und mit möglichst geringem Aufwand für alle Akteure in den Lieferketten umzusetzen. Hierbei wird gegenüber den zuständigen Behörden auf EU- und Mitgliedstaatenebene intensive Überzeugungsarbeit zu leisten sein.

Zur Information http://www.bdi-online.de


Verband der Chemischen Industrie (VCI): Presseinformation vom 13.12.2006

REACH: eine große Herausforderung für die Branche

Stellungnahme des VCI zur Abstimmung im Europaparlament

REACH bleibt trotz wichtiger Verbesserungen gegenüber dem ursprünglichen Kommissionsvorschlag eine große Herausforderung für die Chemie in Deutschland. Das erklärt der Verband der Chemischen Industrie (VCI) zum Abstimmungsergebnis im Europaparlament in Straßburg, das in zweiter Lesung den Weg für die Verabschiedung der REACH-Verordnung im EU-Ministerrat am kommenden Montag frei macht. „Mit der Umsetzung des neuen EU-Chemikalienrechtes kommen zusätzliche Kosten und erheblicher bürokratischer Aufwand auf die Unternehmen zu – das wird besonders für den Mittelstand ein harter Brocken", betont VCI-Präsident Werner Wenning. „Unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit gerät mit REACH noch stärker unter Druck."

Mit REACH sollen Behörden, Weiterverarbeiter und andere Kunden der Branche besseren Zugang zu sicherheitsrelevanten Informationen über die verwendeten Stoffe bekommen. Dieses Ziel hält auch der Chemieverband in Frankfurt für richtig. Als Belastung für die Branche sieht der VCI jedoch vor allem die Verschärfung des Zulassungsverfahrens. Bestimmte Stoffe, die unter die Zulassung fallen, müssen durch Alternativen ersetzt werden, selbst wenn die Hersteller nachweisen können, dass eine sichere Verwendung durch geeignete Maßnahmen gewährleistet ist. „Für viele Produkte und Produktionsanlagen bedeutet diese Verschärfung eine erhebliche Rechtsunsicherheit. Investitionen werden dadurch verzögert oder sogar verhindert", erklärte der VCI-Präsident.

Außerdem kritisiert der VCI, dass die Registrierung kleinvolumiger Chemikalien durch einen kostspieligen und dazu wenig verlässlichen Test erheblich verteuert wurde. Die Parlamentsmehrheit hatte sich ursprünglich für eine Streichung dieses Tests ausgesprochen, konnte das aber gegenüber den Mitgliedsstaaten nicht durchsetzen. „Vor allem für mittelständische Firmen führt dies zu deutlichen Zusatzbelastungen", so VCI-Präsident Wenning.

Positiv wertet der VCI, dass das Parlament mit dem Kompromisspaket einen stärkeren Schutz von Geschäftsgeheimnissen beschlossen hat. Gewisse Stoffinformationen – wie etwa die Strukturformel einer Substanz – sollen nun nicht mehr automatisch durch die Chemikalienagentur veröffentlicht werden. Die betroffenen Unternehmen können diese Daten auf Antrag für sechs Jahre als vertraulich einstufen lassen – für Zwischenprodukte sogar zeitlich unbegrenzt. Letzteres spielt, so der VCI, eine wichtige Rolle für die Entwicklung von neuen Produkten mit hoher Wertschöpfung, die über mehrere Syntheseschritte hergestellt werden. Dazu gehören vor allem Arzneimittelwirkstoffe, Pflanzenschutzmittel und Spezial chemikalien. Wenning: „Diese Verbesserung begrüßen wir sehr, denn damit können hart erarbeitete Innovationsvorsprünge der europäischen Chemieunternehmen gegenüber Wettbewerbern gehalten werden."

Weitere vom Parlament beschlossene Verbesserungen betreffen vor allem einen stärkeren Eigentumsschutz an aufwändigen Sicherheitsstudien sowie verlängerte Registrierungsfristen.

Mit der Verordnung steht allerdings nur das theoretische Grundgerüst des neuen EU-Chemikalienrechts. Über die tatsächliche Umsetzung und damit auch über die Praktikabilität und Kosteneffizienz der Regelungen entscheiden letztlich die verschiedenen technischen Leitfäden, die von der EU-Kommission zurzeit entwickelt werden. Allein die für die Unternehmen bestimmten zehn verschiedenen „Umsetzungshilfen" umfassen gegenwärtig mehrere tausend Seiten. Vor allem kleine und mittlere Betriebe, zu denen über 90 Prozent der 1.600 Mitgliedsunternehmen des VCI zählen, benötigen einfache Instrumente, soll REACH in der Praxis funktionieren.

Die deutsche chemische Industrie ist in besonderem Maße von den Folgen der REACH-Verordnung betroffen: Gut ein Viertel des Chemieumsatzes der EU und fast jeder vierte Chemie-Arbeitsplatz in Europa wird von Unternehmen in Deutschland beigesteuert. Dies macht Deutschland mit Abstand zur Nummer eins im europäischen Chemiegeschäft.

Web: www.vci.de


Anmerkung Scherrmann zu den letzten beiden Beiträgen:

In diesen beiden Beiträgen wird etwas deutlich, welche Rolle die Industrie bei der Endfassung spielte und wohl auch bei der Umsetzung spielen wird. Ob die hier vorgetragene Verbesserung für die Industrie, die diametral zu einer Verbesserung des Schutzniveaus für die menschliche Gesundheit und die Umwelt steht, auch von nachhaltigem Nutzen für die Industrie sein wird, wird die Zukunft lehren.

[:en]

Zur neuen EU-Chemikalienpolitik REACH

Eine Zusammenstellung, Kommentare und Anmerkungen von Ingrid Scherrmann zum Pressebericht

Pressebericht zur Abstimmung - Plenarsitzung vom 13.12.2006 in Straßburg (Zifferneinfügungen (1) bis (15): Scherrmann)

Diese Datei als pdf-Datei: zu_reach.pdf 

Europäisches Parlament verabschiedet neue EU-Chemikalienpolitik REACH

Das EP hat heute über eines der langwierigsten und kontroversesten Gesetzgebungsverfahren seiner Geschichte abgestimmt: die neue EU-Chemikalienpolitik REACH. REACH steht für Registrierung, Bewertung und Zulassung von Chemikalien. Künftig werden ca. 30.000 bislang nicht erfasste Chemikalien in einer zentralen Datenbank bei der neu gegründeten Agentur für chemische Stoffe mit Sitz in Helsinki registriert. (1) Die Verordnung tritt am 1. Juni 2007 in Kraft.

Ziel von REACH ist es, ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und für die Umwelt sicherzustellen sowie den freien Verkehr von Stoffen als solchen, in Zubereitungen oder in Erzeugnissen zu gewährleisten (2). Gleichzeitig sollen Wettbewerbsfähigkeit und Innovation verbessert sowie die Entwicklung alternativer Beurteilungsmethoden für von Stoffen ausgehende Gefahren gefördert werden. REACH fasst die 40 bisherigen Rechtstexte zum Chemikalienrecht in einer einzigen Verordnung zusammen.

529 Abgeordnete stimmten für den Kompromisstext, 98 dagegen, 24 enthielten sich. Berichterstatter Guido SACCONI (SPE, IT) sagte, die Einigung führe zu einem "ausgewogenen System", dass in der Lage sei die genannten Ziele zu erreichen. Um einen Kompromiss zu finden, habe man "den Himalaya besteigen müssen". EP-Präsident Josep BORRELL erklärte, mit der heutigen Abstimmung sei einer der "'komplexesten Texte in der Geschichte der EU" und ein außerordentlich wichtiges Gesetzespaket verabschiedet worden, das den europäischen Bürgerinnen und Bürgern Schutz biete vor den zahlreichen toxischen Substanzen unseres alltäglichen Lebens (3).

Von REACH neu erfasst werden Chemikalien, die bereits vor 1981 auf den Markt gebracht wurden und von denen jährlich mehr als 1t produziert oder importiert werden. Dies trifft auf rund 30.000 Stoffe zu. Über diese vor 1981 verwendeten Chemikalien liegen im Gegensatz zu den sog. "neuen Chemikalien", die nach 1981 auf den Markt gebracht wurden, nur unzureichende Informationen vor. (4)

Zulassung: Risiken müssen sich "angemessen beherrschen" lassen

Ein wichtiges Ziel von REACH ist es, in bestimmten Fällen sicherzustellen, dass besorgniserregende Stoffe letztendlich durch weniger gefährliche Stoffe oder Technologien ersetzt werden. (5)

Die Frage der Zulassung war lange Zeit heftig umstritten zwischen Parlament und Ministerrat. Die gefunden Einigung sieht nun vor, dass eine Zulassung nur dann erteilt wird, wenn sich die Risiken bei der Verwendung "angemessen beherrschen" lassen oder die Verwendung aus sozioökonomischen Gründen gerechtfertigt ist und keine geeigneten Alternativen zur Verfügung stehen, die wirtschaftlich und technisch tragfähig sind (6). Hersteller und Importeure - und nicht die Behörden - müssen nachweisen, dass die Stoffe sicher sind.

Sind "angemessene Alternativen verfügbar", muss ein Substitutionsplan einschließlich eines Zeitplans für die vorgeschlagenen Maßnahmen vorgelegt und die gefährliche Chemikalie durch die sichere Alternative ersetzt werden. (7) Existieren keine Alternativen, muss ein Forschungs- und Entwicklungsplan vorgelegt werden, in dem die Maßnahmen aufgeführt wird, die unternommen werden, um einen Alternativstoff zu finden (8).

Für Stoffe mit persistenten, bioakkumulierbaren und toxischen oder sehr persistenten und sehr bioakkumulierbaren Eigenschaften wird eine Zulassung nur dann erteilt, wenn nachgewiesen wird, dass der sozioökonomische Nutzen die Risiken überwiegt, die sich aus der Verwendung des Stoffes für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt ergeben, und wenn es keine geeigneten Alternativstoffe oder -technologien gibt. (9)

Zulassungen unterliegen einer befristeten Überprüfung und sind in der Regel an Auflagen, einschließlich einer Überwachung, geknüpft. Die Dauer der befristeten Überprüfungen wird für jeden Einzelfall festgelegt. Zulassungen werden so lange als gültig angesehen, bis die Kommission beschließt, die Zulassung im Rahmen einer Überprüfung zu ändern oder zu widerrufen, sofern der Zulassungsinhaber mindestens 18 Monate vor Ablauf des befristeten Überprüfungszeitraums einen Überprüfungsbericht vorlegt. Sacconi schätzt, dass 2500 bis 3000 gefährliche Substanzen zugelassen werden müssen (10).

Überprüfung innerhalb von zwölf bzw. sieben Jahren

Innerhalb von 12 Jahre nach Inkrafttreten von REACH wird geprüft, ob die Verpflichtung zur Durchführung einer Stoffsicherheitsbeurteilung und zur Erstellung eines Stoffsicherheitsberichts auch auf Stoffe angewendet werden soll, die dieser Verpflichtung nicht unterliegen, weil sie nicht registrierungspflichtig sind oder zwar registrierungspflichtig sind, jedoch in Mengen von weniger als 10 Tonnen pro Jahr hergestellt oder importiert werden (11).

Für Stoffe, die die Kriterien für die Einstufung als krebserzeugend, erbgutverändernd oder fortpflanzungsgefährdend erfüllen, ist die Überprüfung jedoch innerhalb von sieben Jahren vorzunehmen (12). Bei der Überprüfung berücksichtigt die Kommission die den Herstellern und Importeuren durch die Erstellung des Stoffsicherheitsberichts entstehenden Kosten, die Aufteilung der Kosten zwischen den Akteuren der Lieferkette und den nachgeschalteten Anwendern sowie den Nutzen für die menschliche Gesundheit und die Umwelt (13).

Daten gewinnen, Risiken beurteilen, Risikomanagementmaßnahmen entwickeln

Hersteller und Importeure sind verpflichtet, Daten über die von ihnen hergestellten oder eingeführten Stoffe zu gewinnen, diese Daten zur Beurteilung der stoffspezifischen Risiken zu nutzen und geeignete Risikomanagementmaßnahmen zu entwickeln und zu empfehlen. Damit diese Verpflichtungen auch eingehalten werden sowie aus Gründen der Transparenz muss im Rahmen der Registrierung bei der Agentur ein Dossier mit all diesen Informationen eingereicht werden.

Sorgfaltspflicht: Menschliche Gesundheit und Umwelt nicht schädigen

REACH schreibt fest, dass die Industrie Stoffe mit einer solchen Verantwortung und Sorgfalt herstellen, einführen, verwenden oder in den Verkehr bringen muss, dass die menschliche Gesundheit und die Umwelt nicht geschädigt werden

Alle vorliegenden relevanten Informationen über Chemikalien müssen gesammelt werden, um gefährliche Eigenschaften zu ermitteln. (14) Empfehlungen über Risikomanagementmaßnahmen sind systematisch entlang der gesamten Lieferkette weiterzuleiten, so dass schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit oder die Umwelt vermieden werden.

Vermeidung von Tierversuchen

Ein wichtiges Anliegen für das EP war die Vermeidung unnötiger Tierversuche. REACH verlangt daher, dass die Kommission, die Mitgliedstaaten, die Industrie und die anderen Beteiligten "weiterhin auf internationaler und nationaler Ebene einen Beitrag zur Förderung alternativer Testmethoden leisten". Dies schließt etwa computergestützter Methoden oder geeignete In-vitro-Methoden ein.

Die Strategie zur Förderung alternativer Testmethoden ist ein "vorrangiges Anliegen". Die Kommission muss daher sicherstellen, dass sie dies im Rahmen ihrer künftigen Forschungsrahmenprogramme und -initiativen wie dem Aktionsplan der Gemeinschaft für den Schutz und das Wohlbefinden von Tieren 2006-2010 auch bleibt. (15)

Informationen über vorgeschlagene Testreihen, die Versuche an Wirbeltieren beinhalten, werden auf der Website der Agentur veröffentlicht. Diese veröffentlicht den Namen des Stoffes, den Gefahren-Endpunkt, für den Wirbeltierversuche vorgeschlagen werden, und den Termin, bis zu dem Informationen von Dritten vorgelegt werden müssen. Um Tierversuche zu vermeiden, fordert die Agentur Dritte auf, innerhalb von 45 Tagen wissenschaftlich fundierte Informationen und Studien vorzulegen, die sich auf den jeweiligen Stoff und Gefahren-Endpunkt beziehen, der Gegenstand des vorgeschlagenen Versuchsprogramms ist. (20)

Quelle: Referat Redaktion und Veröffentlichung E-Mail: Presse-de@europarl.europa.eu

***

Die REACH Verordnung wurde am 30.12.2006 im Amtsblatt der EU veröffentlicht:

Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), zur Schaffung einer Europäischen Agentur für chemische Stoffe, zur Änderung der Richtlinie 1999/45/EG und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 793/93 des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 1488/94 der Kommission, der Richtlinie 76/769/EWG des Rates sowie der Richtlinien 91/155/EWG, 93/67/EWG, 93/105/EG und 2000/21/EG der Kommission (850 Seiten)

Seite steht inzwischen nicht mehr im Netz.

Weitere Informationen zu REACH finden Sie im Internet unter

http://www.reach-info.de/

***

Wikipedia:

Mit der Verordnung steht allerdings nur das theoretische Grundgerüst des neuen EU-Chemikalienrechts. Über die tatsächliche Umsetzung und damit auch über die Praktikabilität und Kosteneffizienz der Regelungen entscheiden letztlich die verschiedenen technischen Leitfäden, die von der EU-Kommission zurzeit entwickelt werden. Allein die für die Unternehmen bestimmten zehn verschiedenen „Umsetzungshilfen" umfassen gegenwärtig mehrere tausend Seiten.

http://de.wikipedia.org/wiki/REACH-System


Anmerkungen Scherrmann  zum obigen Pressebericht (unter IS)

A) Termin der Abstimmung

Im deutschsprachigen Internet (recherchiert über "google alert" mit den Einträgen "Chemikalienverordnung REACH", "Chemikalienpolitik REACH" und mit Hilfe der Suche auf www.google.de mit dem Eintrag "Chemikalienpolitik REACH Dezember 2006") fanden sich wenige und weitgehend unkritische Kommentare zur neuen Chemikalienverordnung. Die Termine der Abstimmungen und der Veröffentlichung wurden wohl so gewählt, dass sie von der Öffentlichkeit möglichst wenig wahrgenommen wurden.

B) Zum Wortlaut des obigen Protokolls:

(Zitat: Kursiv. Unter "Gesetzestext" verstehe ich den 850-Seiten-Text vom 30.12.2006 im Amtsblatt der EU

URL nicht mehr verfügbar

1) Künftig werden ca. 30.000 bislang nicht erfasste Chemikalien in einer zentralen Datenbank bei der neu gegründeten Agentur für chemische Stoffe mit Sitz in Helsinki registriert.

Ingrid Scherrmann: 

Da es "30 000 bislang nicht erfasste Chemikalien" gibt, ist es auch nicht verwunderlich, dass die Meinung vorherrscht, es sei nicht wahrscheinlich, dass Menschen durch einzelne oder mehrere dieser 30 000 Chemikalien krank werden können.

Die neugegründete Agentur wird eine Schlüsselrolle bei der Risikobewertung bzgl. der Schädlichkeit von Chemikalien einnehmen. Im Gesetzestext (TITEL X, S. 174ff) werden die Formalien auf 35 Seiten erläutert. Ob die Agentur aber letztlich eher für die Bürgerinnen und Bürger oder eher im Sinne der Industrie arbeiten wird, hängt insbesondere von Einstellung und Hintergrund der verantwortlichen Personen in den verschiedenen dort aufgeführten Gremien ab.

2) Ziel von REACH ist es, ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und für die Umwelt sicherzustellen sowie den freien Verkehr von Stoffen als solchen, in Zubereitungen oder in Erzeugnissen zu gewährleisten.

Scherrmann:

Dieses Ziel ist gut, doch ob "ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und für die Umwelt" erreicht wird, wird sich ganz essentiell erst im Detail bei der Gestaltung und Einhaltung der Umsetzungsrichtlinien entscheiden.

3) (Es) sei ... ein außerordentlich wichtiges Gesetzespaket verabschiedet worden, das den europäischen Bürgerinnen und Bürgern Schutz biete vor den zahlreichen toxischen Substanzen unseres alltäglichen Lebens.

Scherrmann: 

Mit dieser Formulierung wird indirekt bestätigt, dass es tatsächlich "zahlreiche toxische Substanzen unseres alltäglichen Lebens" gibt und dass bisher zu wenig Schutz besteht.

4) Über diese vor 1981 verwendeten Chemikalien liegen im Gegensatz zu den sog. "neuen Chemikalien", die nach 1981 auf den Markt gebracht wurden, nur unzureichende Informationen vor.

Scherrmann:

Es ist vor allem wichtig, eine Verständigung darüber zu erzielen, was eine "ausreichende Information" ist. Um ausreichende Informationen zu haben, ist es z. B. unabdingbar, sämtliche schon vorhandenen wissenschaftlichen Veröffentlichungen zu gesundheitsrelevanten Erkenntnissen zur Wirkung der "alten" und der "neuen" Chemikalien zu sammeln, zu analysieren, zu bewerten und zu nutzen. Das gilt auch für das bekannte Schädigungspotential einzelner Chemikalien in sogenannten Niedrigdosen bei Langzeitexposition.

Insbesondere bzgl. des Zusammenhangs zwischen Chemikalien und den Volkskrankheiten gibt es eine große Anzahl von toxikologischen und epidemiologischen Erkenntnissen, bereits bzgl. der "alten Chemikalien", die aber bis jetzt weitgehend unberücksichtigt bleiben.

Um ausreichende Stoffinformationen zu haben, müsste also gleichzeitig eine krankheitsbezogene Datenbank aufgebaut werden, in der das schon vorhandene und das künftige Wissen zu gesundheitsschädigenden Wirkungen von Chemikalien systematisch erfasst und sichtbar gemacht wird. Z. B. sollten dort unter dem Stichwort "Asthma" alle schon vorhandenen Veröffentlichungen zusammengetragen werden, die Zusammenhänge zwischen bestimmten Chemikalien und der Entstehung von Asthma und der Auslösung von Asthmaanfällen beschreiben.

Nur durch eine Verknüpfung möglichst aller vorhandenen Erkenntnisse über eine bestimmte Chemikalie kann eine umfassende Bewertung vorgenommen werden.

5) Ein wichtiges Ziel von REACH ist es, in bestimmten Fällen sicherzustellen, dass besorgniserregende Stoffe letztendlich durch weniger gefährliche Stoffe oder Technologien ersetzt werden.

Scherrmann:

Die Formulierung "besorgnis erregende Stoffe" suggeriert, dass es nicht um krankmachende Stoffe geht, sondern um Stoffe, die eine Besorgnis auslösen.

Die Formulierung "in bestimmten Fällen" bedeutet wohl, dass dies nicht generell sicherzustellen ist.

Auch hier wird durch den Nachsatz "weniger gefährliche Stoffen" indirekt zugegeben, dass viele gefährliche Stoffe im Handel sind. "Weniger gefährlich" ist auch "gefährlich".

Diese Formulierungen zeigen, dass diese Begriffe nicht mit toxikologischen und epidemiologischen Daten in Verbindung gebracht werden.

6) Die gefundene Einigung sieht nun vor, dass eine Zulassung nur dann erteilt wird, wenn sich die Risiken bei der Verwendung "ange messen beherrschen" lassen oder die Ver wendung aus sozioöko nomischen Gründen gerecht fertigt ist und keine geeigneten Alternativen zur Verfügung ste hen, die wirtschaftlich und technisch trag fähig sind.

Scherrmann:

Was bedeutet "angemessen"?

Wer evaluiert mit welchen Methoden eine schadstoffbedingte Mortalitätsrate in der Bevölkerung?

Wie hoch dürfen die stochastischen Schäden angesetzt werden, um die Risiken als "angemessen beherrschbar" definieren zu können?

Es kann wohl auch in Zukunft für jedwede hochtoxische Chemikalie eine Ausnahmegenehmigung geben, wenn sie nur mit den hier unter "oder" angegebenen Argumenten begründet wird.

7) Sind "angemessene Alternativen verfügbar", muss ein Substitutionsplan einschließlich eines Zeitplans für die vorgeschlagenen Maßnahmen vorgelegt und die gefährliche Chemikalie durch die sichere Alternative ersetzt werden.

Scherrmann:

Alternativen haben ein anderes, weniger bekanntes und nicht notwendigerweise günstigeres Nutzen-Risiko-Profil.

Die Geschichte der Substanzentwicklungen im letzten Jahrhundert (z. B. in der Linie DTT---> PCP+ Lindan ---> Pyrethroide) hat uns gezeigt, dass Alternativen i. a. raffinierter hergestellte Chemikalien sind, damit "alte Märkte" wieder beliefert werden können und/oder neue Märkte erschließbar sind. Die Alternativen wurden jeweils immer zuerst jahrzehntelang als sicher angepriesen. Dass die eingeforderten Alternativen deshalb sicherer sind, ist nach den Erfahrungen des letzten Jahrhunderts also keineswegs gewährleistet, insbesondere weil Erkenntnisse über gesundheitliche Schädigungen durch sog. Niedrigdosen oft erst nach Jahren oder Jahrzehnten bekannt werden. Eine Substitution, auch wenn sie als sicher eingeführt wird, muss also nicht zwangläufig mehr Schutz vor gesundheitlichen Schädigungen bieten.

8) Existieren keine Alternativen, muss ein Forschungs- und Entwicklungsplan vorgelegt werden, in dem die Maßnahmen aufgeführt wird, die unternommen werden, um einen Alternativstoff zu finden.

Scherrmann:

Dieser Passus bedeutet wohl, dass Menschen jahrelang weiterhin geschädigt werden können, selbst wenn die Schädigung nicht mehr geleugnet werden kann.

9) Für Stoffe mit persistenten, bioakkumulierbaren und toxischen oder sehr persistenten und sehr bioakkumulierbaren Eigenschaften wird eine Zulassung nur dann erteilt, wenn nachgewiesen wird, dass der sozioökonomische Nutzen die Risiken überwiegt, die sich aus der Verwendung des Stoffes für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt ergeben, und wenn es keine geeigneten Alternativstoffe oder -technologien gibt.

Scherrmann:

Während ein sozioökonomischer Nutzen im Sinne von Arbeitsplatzsicherung und Gewinnmaximierung noch relativ einfach darzustellen ist, ist die Bezifferung der Risiken – d.h. die Abschätzung der direkten und indirekten Kosten für tatsächlich eingetretene, besonders auch nachhaltige Schäden, weitaus schwieriger.

Bedeutsam in diesem Zusammenhang ist nämlich, dass die Industrie nach geltendem Recht in den EU-Ländern für produktbedingte gesundheitliche Schäden, insbesondere wenn sie durch Langzeitschädigungen im sog. Niedrigdosisbereich eintreten, nicht oder nur in sehr geringem Umfang aufkommen muss.

Die Kosten von schadstoffinduzierten Krankheiten gehen – mit wenigen Ausnahmen - zu Lasten der Sozialsysteme und der einzelnen Patienten.

Somit ist eine Kosten-Nutzen-Abwägung, die die Folgekosten nicht mit einbezieht, völlig unzureichend.

Um ein effektives Chemikalienrecht zu schaffen, das tatsächlich die nachhaltige Erhaltung der menschlichen Gesundheit zum Ziel hat, müsste also zuerst eine andere Rechtsgrundlage bzgl. der Haftung und bzgl. der Beweislast geschaffen werden.

10) Sacconi schätzt, dass 2500 bis 3000 gefährliche Substanzen zugelassen werden müssen:

Scherrmann:

Hier erübrigt sich jeder Kommentar.

11) Innerhalb von 12 Jahre nach Inkrafttreten von REACH wird geprüft, ob die Verpflichtung zur Durchführung einer Stoffsicherheitsbeurteilung und zur Erstellung eines Stoffsicherheitsberichts auch auf Stoffe angewendet werden soll, die dieser Verpflichtung nicht unterliegen, weil sie nicht registrierungspflichtig sind oder zwar registrierungspflichtig sind, jedoch in Mengen von weniger als 10 Tonnen pro Jahr hergestellt oder importiert werden.

Scherrmann:

Dies bedeutet, dass Stoffe, die zwar hochtoxisch sind, "jedoch in Mengen von weniger als 10 Tonnen pro Jahr hergestellt oder importiert werden", für die nächsten 12 Jahre ohne Auflagen weiter produziert und in Umlauf gebracht werden können. Dazu Prof. Troge in der Presse-Information vom Umweltbundesamt 06/04, Berlin, den 16.01.2004 "Mit REACH den Umgang mit Chemikalien verbessern" (http://www.umweltbundesamt.de/uba-info-presse/2004/pd04-006.htm ): "Die Datenanforderungen für Stoffe, die mit weniger als zehn Tonnen pro Jahr produziert werden, sind so stark zurückgeschraubt, dass eine verlässliche Einschätzung des Umweltrisikos nicht mehr möglich ist. Dies betrifft den Großteil der 30.000 im Umgang befindlichen Chemikalien, die über das Wasser, die Luft und den Abfall in die Umwelt gelangen und denen die Verbraucherinnen und Verbraucher täglich ausgesetzt sind. In diesem Punkt bleibt die REACH-Verordnung sogar hinter der Selbstverpflichtung der deutschen Chemieindustrie von 1997 zurück."

12) Für Stoffe, die die Kriterien für die Einstufung als krebserzeugend, erbgutverändernd oder fortpflanzungsgefährdend erfüllen, ist die Überprüfung jedoch innerhalb von sieben Jahren vorzunehmen.

Scherrmann:

Bei der "Einstufung als krebserzeugend, erbgutverändernd oder fortpflanzungsgefährdend" wird der Agentur eine zentrale Rolle zukommen (siehe 1) und 4))

13) Bei der Überprüfung berücksichtigt die Kommission die den Herstellern und Importeuren durch die Erstellung des Stoffsicherheitsberichts entstehenden Kosten, die Aufteilung der Kosten zwischen den Akteuren der Lieferkette und den nachgeschalteten Anwendern sowie den Nutzen für die menschliche Gesundheit und die Umwelt.

Scherrmann:

Auch bei dieser "Kosten-Nutzen-Rechnung wird den "Kosten" für Industrie und Handel, der "Nutzen für die menschliche Gesundheit" gegenübergestellt. Spätestens hier wird klar, dass vermieden wird, über die Kosten, die dem Gesundheitssystem, den Rentenkassen und den einzelnen Bürgerinnen und Bürgern aufgrund von Chemikalieninduzierten Krankheiten entstanden sind, entstehen und entstehen werden, nachzudenken.

Zudem: "Die direkten Kosten, die sich aus den Datenanforderungen durch REACH ergeben, summieren sich EU-weit auf etwa 4 Mrd. Euro. Verteilt auf die Vorlaufzeit von 11 Jahren bedeutet dies für die europäische Chemiebranche einen jährlichen Kostenanteil in Höhe von 0,06 Prozent ihres Umsatzes. Mehrere Studien stützen diese Einschatzung, mit der auch die EU-Kommission arbeitet. Der Verband der Europäischen Chemischen Industrie (CEFIC) errechnet dagegen einen Kostenanteil für REACH in Hohe von 0,12 Prozent des Branchenumsatzes" (Quelle: "REACH für Anwender", Herausgeber: Umweltbundesamt, Kapitel "Der Preis für Rohöl macht wöchentlich größere Sprünge als die Zusatzkosten durch REACH, S. 29

14) REACH schreibt fest, dass die Industrie Stoffe mit einer solchen Verantwortung und Sorgfalt herstellen, einführen, verwenden oder in den Verkehr bringen muss, dass die menschliche Gesundheit und die Umwelt nicht geschädigt werden Alle vorliegenden relevanten Informationen über Chemikalien müssen gesammelt werden, um gefährliche Eigenschaften zu ermitteln.

Scherrmann:

Die unterschiedlichen Auffassungen von Verantwortung, Sorgfalt, Schädlichkeit und Schutz resultieren m. E. auch daraus, dass unter "schädlicher Auswirkung auf die menschliche Gesundheit" i. a. der unmittelbare Tod als Sofortreaktion auf eine Emission (Chemikalie, Strahlung) definiert wird, also wenn ein nicht weg zudiskutierender eindeutiger Zusammenhang zwischen Emission und Tod besteht, wie z. B. in Hiroshima, Bophal, Seveso.

Gesundheitliche Langszeitschädigungen, insbesondere durch Chemikalien-Belastungen im sog. Niedrigdosisbereich, werden systematisch - so weit irgend möglich - ignoriert, also nicht als Schädigungspotential für die menschliche Gesundheit wahrgenommen und anerkannt.

Wenn dann noch Schadstoffinduzierte Krankheiten vorrangig als psychisch bedingte Krankheiten definiert werden und nicht erkannt und nicht diskutiert wird, dass diese Sicht von industrienahen Wissenschaftlern und Ärzten verbreitet wird, wird sich daran nichts Grundsätzliches ändern.

15) Die Strategie zur Förderung alternativer Testmethoden ist ein "vorrangiges Anliegen". Die Kommission muss daher sicherstellen, dass sie dies im Rahmen ihrer künftigen Forschungsrahmenprogramme und -initiativen wie dem Aktionsplan der Gemeinschaft für den Schutz und das Wohlbefinden von Tieren 2006-2010 auch bleibt.

Scherrmann:

Dass ein ganzer Abschnitt dem Schutz und auch dem Wohlbefinden von Tieren gewidmet wird, ist wichtig und richtig. Aber: Es ist bemerkenswert, dass das Wohlbefinden der Menschen weder im Protokoll noch im Gesetzestext erwähnt wird, dass keine weitergehende Erläuterung zu den schädlichen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit vorliegt. Der Terminus "Krankheit" findet sich nur im Zusammenhang mit Berufskrankheiten. Der Begriff "Kinder" kommt im gesamten Gesetzestext nur zweimal vor. (Seite 247 bzgl. der Ermittlung des DNEL-Werts/der DNEL-Werte (Derived No-Effect Level) und Seite 399: "Mit dieser Flüssigkeit gefüllte Lampen sind für Kinder unzugänglich aufzubewahren".)

C) Scherrmann Resümee:

Dass es äußerst schwierig ist und viel Fachwissen erfordert, ein Chemikalienrecht auf den Weg zu bringen, das den verschiedenartigen Ansprüchen auch nur annähernd gerecht wird, steht außer Zweifel. Das nun vorliegende EU-Chemikaliengesetz REACH ist m. E. zwar ein Schritt in die richtige Richtung, aber insgesamt unzureichend.

Ausgehend vom vorliegenden Protokoll ist unter anderem ersichtlich,

- dass es auch in Zukunft nicht schwierig sein wird, kritische Ergebnisse unter Verschluss zu halten

- wie wenig auch weiterhin die Verbraucherinnen und Verbraucher geschützt werden

- dass der Schutz der Gesundheit unserer Kinder und Enkel in der neuen Gesetzgebung keinen adäquaten Niederschlag findet

- dass die Weichen so gestellt wurden, dass es nicht für dringlich erachtet wird, Grundprobleme unserer Zivilisation wie die Zunahme der Chemisierung, kritisch zu hinterfragen, weil die Bürgerinnen und Bürger im Glauben gehalten werden, sie und die Umwelt seien vor schädlichen Wirkungen durch Chemikalien geschützt

- dass Erkenntnisse über das schon vorhandene Ausmaß von Chemikalieninduzierten Krankheiten ignoriert und verdrängt werden und von Seiten der EU-Politik die Weichen nun so gestellt wurden, dass dies auch in Zukunft so bleiben kann.

Das neue Chemikaliengesetz wäre dann und nur dann von größerem Vorteil für die Bürgerinnen und Bürger der EU, wenn eine ähnliche Entwicklung wie im Nahrungsmittelbereich einsetzen würde. Hier haben die verschiedenen Skandale der letzten Jahre und wohl auch die zunehmende Erkenntnis, dass von Seiten der Politik unzureichender Schutz vorliegt, die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland veranlasst, vermehrt Nahrungsmittel aus biologischem Anbau zu kaufen. Auf dem Gebiet der Nahrungsmittel gibt es echte Alternativen. Im Bereich von Chemikalien ist es weit schwieriger, sich für Alternativen zu entscheiden.

Es bleibt zu hoffen, dass die Medien auch im Bereich von Chemikalien ihrem Auftrag nachkommen und die Bevölkerung vermehrt über die gesundheitsschädlichen Wirkungen von Chemikalien aufklären.

Die einzige effektive Möglichkeit, wie die Bürgerinnen und Bürger der EU sich tatsächlich ein hohes Schutzniveau schaffen können, sehe ich darin,

- dass sie generell ihr Kaufverhalten überdenken,

- sich weniger durch Werbung und Werbeversprechungen manipulieren lassen,

- sich im Einzellfall (z. B. im Baumaterialienbereich) kundig machen, um die schadstoffärmsten Materialien auswählen zu können,

und somit mit einer Veränderung ihres Kaufverhaltens auf die unzureichende EU-Chemikalienpolitik REACH reagieren.

Als Grundvoraussetzung müssten sie aber über die unzureichende Gesetzgebung und die schon bekannten Erkenntnisse über Zusammenhänge zwischen Chemikalien und Krankheiten aufgeklärt werden, denn nur so werden sie sich von der Notwendigkeit überzeugen lassen, selbst etwas zu einer gesünderen Umwelt beizutragen.

Weitere Kritikpunkte von  H. Breyer, P. Cameron, BUND, UBA, ... 

Von Hiltrud Breyer (MEP)

EP- Mogelpackung zu REACH

Es ist beschämend, dass das Europaparlament die EU-Chemikalienverordnung REACH zur Mogelpackung gemacht hat. Die giftfreie Zukunft für Mensch und Umwelt in Europa ist damit in weite Ferne gerückt. Die Abgeordneten sind in die Knie gegangen vor dem Lobbydruck der europäischen Chemieindustrie. Die Verordnung ist ein fauler Kompromiss, der ganz klar die Handschrift der deutschen Chemieunternehmen trägt. Diese haben umfangreiche Zugeständnisse bekommen.

Nachdem das Europaparlament nun so lange für den Umwelt- und Verbraucherschutz geblinkt hatte, ist es auf den letzten Metern zur Chemieindustrie abgebogen. Das Herzstück der verpflichtenden Substitution wurde herausgerissen. Es wird für Industrieunternehmen nur wenig Anreize geben, hochgefährliche Chemikalien durch harmlosere zu ersetzen. Es ist unverantwortlich, diesen Stoffen eine Autorisierung zu geben und sie am Markt zu belassen, selbst wenn es weniger schädliche machbare Alternativen gibt. Daher ist auch der geplante Substitutionsplan und adäquate Kontrolle reine Augenwischerei. Europäische Industriegifte werden weiter da auftauchen, wo sie nichts zu suchen haben, nämlich im Blut von Kinder und Erwachsenen, in der Muttermilch, im Trink- und Grundwasser und im Fettgewebe der Eisbären.

Es ist mehr als unverständlich, warum sich die Abgeordneten dem Diktat der Fraktion der Christdemokraten gebeugt haben. Eine Streichung der Forderungen, die die EPP in letzter Minute im Kompromiss durchgedrückt hatte, hätte kein Vermittlungsverfahren zur Folge gehabt. Denn bevor diese Verschlechterung eingebracht wurde, gab es eine Einigung zwischen Parlament und Rat.

Die Verordnung ist ein Hohn auf die Verbrauchertransparenz. Nur auf individuelle Anfrage können Verbraucher Auskunft über kanzerogene, erbgut- und fortpflanzungsschädigende Stoffe in Erzeugnissen erhalten (CMR Stoffe), Stoffe, die gar nicht erst in Erzeugnissen sein sollten. Bei weiteren toxischen Stoffen die z.B. leber- oder nervenschädigend wirken sind sie völlig entmündigt. Den Konsumenten wird das Recht verweigert, zu wissen was in ihren Konsumprodukten enthalten ist und Politik mit dem Einkaufswagen zu machen. Die Öffentlichkeit tappt möglicherweise auch im Dunkeln, wer die Mitglieder der zukünftigen EU-Chemikalienagentur sind und wie ihre Entscheidungen zustande kommen. Denn diese haben die Möglichkeit ihren Namen und finanziellen Interessen zu verbergen. Dies ist ein Unding und widerspricht dem Grundgedanken demokratischer Kontrolle. Nicht wenige der Chemikalien in Industrieprodukten die mit REACH ihren Freifahrschein behalten dürfen, haben verheerende Auswirkungen. Vor kurzem haben Wissenschaftler eine Liste vorgelegt mit 202 gebräuchlichen Industriechemikalien, die das Nervensystem und die geistige Entwicklung beeinträchtigen. Bei Kindern können diese Nervengifte in bestimmten Phasen der Hirnentwicklung zu unheilbaren Schäden führen. Ein Gehirn lässt sich nicht reparieren. Schon jetzt zeigt jedes sechste Kind Entwicklungsstörungen des Nervensystems wie Konzentrationsschwäche, Hyperaktivität bis hin zu Autismus - eine stille Pandemie.

Es bleibt die Hoffnung, dass der Groß- und Einzelhandel von sich aus Erzeugnisse mit hochgefährlichen Schadstoffen aus dem Sortiment nimmt, oder zumindest eine freiwillige Deklaration einführt. Ebenso bietet das gestartete parlamentarische Verfahren zur Pestizidgesetzgebung die Chance, die verpflichtende Substitution wieder ganz oben auf die Agenda zu setzen und die Verbraucher nicht noch mehr zu enttäuschen.


Von Patricia Cameron, BUND:

REACH- Fauler Kompromiss

(BV) – Um 00:10 Uhr am 1. Dezember kam die lang ersehnte E-Mail aus Brüssel mit dem Betreff »REACH – final agreement«. Nach fünf Verhandlungsjahren über die Verordnung zur Registrierung, Evaluierung und Autorisierung von Chemikalien (REACH) haben sich EU-Parlament und Ministerrat endlich auf einen Kompromiss geeinigt. Doch das Ergebnis ist eine kolossale Enttäuschung und bleibt weit hinter dem zurück, was zum besseren Schutz von Mensch und Umwelt nötig gewesen wäre. Viele krebserregende und erbgutschädigende Substanzen und Schadstoffe, die wie Hormone wirken, können weiter vermarktet werden, auch wenn es sicherere Alternativen gibt. Die Gefährlichkeit der meisten Stoffe wird weiterhin im Dunkeln bleiben, weil sie nicht ausreichend auf ihre Folgen für Mensch und Umwelt getestet werden müssen. Verbraucher werden nicht genügend Informationen über gefährliche Substanzen in Alltagsprodukten bekommen, um sich bewusst für sichere Produkte entscheiden zu können.

Der Kompromissvorschlag, der am 13. Dezember im EU-Parlament und am 18. Dezember im EU-Ministerrat abgestimmt wird, trägt deutlich die Handschrift der chemischen Industrie – und der deutschen Bundesregierung.

Die umwelt- und verbraucherfreundlichen Positionen, die noch im Oktober im Umweltausschuss des Parlaments klare Mehrheiten bekamen, wurden weitest gehend ignoriert, industriefreundliche Positionen haben die Oberhand gewonnen. Dies ist zumindest zum Teil der Verdienst des deutschen Bundeskanzleramts, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Interessen der deutschen Chemieindustrie durchzusetzen.

REACH war eine einmalige Chance, Anreize dafür zu schaffen, gefährliche Stoffe durch sichere Alternativen zu ersetzen. Der jetzt vorliegende Kompromissvorschlag dagegen lenkt Investitionen in die falsche Richtung: Statt in die Erforschung von Alternativen zu investieren, werden Unternehmen ermutigt, Grenzwerte für ihre veralteten, gefährlichen Stoffe zu ermitteln, damit diese zugelassen werden können. Die Möglichkeiten, die REACH für mehr Chemikaliensicherheit bot, wurden größtenteils verspielt. Um als UmweltschützerIn wieder Visionen für eine Zukunft ohne Gift zu entwickeln, scheint man schon in Richtung eines REACH II denken zu müssen.

BUND-Projekt Chemikalienpolitik – Safer Chemicals, patricia.cameron@bund.net, URL nicht mehr verfügbar


Gemeinsame Presseerklärung Von BUND, Greenpeace und WECF vom 13. Dezember 2006

REACH: Kaum geboren, schon geschwächt – BUND, Greenpeace und WECF kritisieren zu wenig Schutz vor Chemikalien

Straßburg/Berlin: Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Greenpeace und WECF (Women in Europe for a Common Future) kritisieren das heute vom Europäischen Parlament beschlossene EU-Chemikaliengesetz REACH als zu schwach. So dürften Krebs erregende, die Fruchtbarkeit schädigende und hormonell wirksame Chemikalien weiter vermarktet werden, selbst wenn sichere Ersatzstoffe vorhanden seien. Der Bundesregierung warfen die Verbände vor, den verbindlichen Ersatz besonders gefährlicher Risiko-Chemikalien verhindert zu haben.

Patricia Cameron, Chemikalienexpertin des BUND: „REACH hat das Gezerre um seine Verabschiedung glücklicherweise überlebt, ist im Ergebnis aber unzureichend. Ursprünglich sollten mit dem Gesetz Menschen und Umwelt besser vor giftigen Chemikalien geschützt werden. Mit der heute beschlossenen Verordnung können jedoch viele gesundheitsschädliche Chemikalien weiterhin in Konsumprodukten eingesetzt werden, auch wenn es sichere Alternativen gibt."

Greenpeace-Sprecherin Corinna Hölzel kritisierte, dass die Testanforderungen für ungefähr 20000 der 30000 von REACH erfassten Chemikalien auf Druck der Industrie stark abgeschwächt wurden: „Dank der gemeinsamen Bemühungen der deutschen Industrie und der Bundesregierung ist aus dem Löwen REACH ein zahmes Kätzchen geworden. Über die Gefährlichkeit vieler Stoffe wird man auch künftig erst durch Chemieskandale etwas erfahren. Solange giftige Chemikalien weiter vermarktet werden dürfen, besteht für die Industrie kaum Anreiz, Geld in die Entwicklung sicherer Alternativen zu investieren."

Nach der neuen Chemikalienverordnung bleiben Risiko-Chemikalien erlaubt, wenn die Hersteller behaupten, sie „angemes sen zu kontrollieren". REACH-Expertin des WECF, Daniela Rosche: „Es ist ein Skandal, dass Stoffe, die Fehlgeburten oder Entwicklungs störungen bei Föten hervorrufen können, nicht ersetzt werden müssen. Damit werden auch nachkommende Generationen mit den gefährlichen Stoffen belastet."

Die Verbände werten positiv, dass in Zukunft wenigstens die nicht abbaubaren und sich im menschlichen Körper anreichernden Stoffe durch Alternativen ersetzt werden müssen, sobald diese vorhanden sind. Auch könnten Stoffe, die in sehr großen Mengen hergestellt werden, nicht mehr ungetestet vermarktet werden. Zudem erlaube das Gesetz den Verbrauchern, von Firmen Informationen über einige besonders gefährliche Substanzen zu verlangen. Die Verbände kündigten an, die Umsetzung des Gesetzes kritisch zu begleiten.

Achtung Redaktionen: Rückfragen bitte bei Patricia Cameron vom BUND, Tel. 0049175-5963816, www.bund.net ;  www.greenpeace.de  http://www.wecf.org/


SPIEGEL ONLINE - 28. Januar 2007

Lobbyismus in der EU. Kapitulation im Kampf gegen die Krebserreger
Von Nils Klawitter
Die EU hat gerade die große neue Chemierichtlinie verabschiedet, die
Verbraucher vor Tausenden Giften schützen soll. Tatsächlich ist eher sie
selbst ein Sicherheitsrisiko - denn die Industrie hat Europas Politiker
weichgekocht. Ein Lehrstück für Lobbyisten. ...

Mehr unter: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,461994,00.html


Bundesumweltministerium Deutschland

Berlin, 18.12.2006 Umweltrat verabschiedet REACH

Chemikalienverordnung tritt am 1. Juni in Kraft

Die EU-Umweltminister haben heute in Brüssel die Chemikalienverordnung REACH beschlossen. Damit wird eine mehrjährige Diskussion über die Reform der europäischen Chemikalienpolitik abgeschlossen. Europaparlament, Rat und Kommission hatten sich Anfang Dezember auf einen Kompromisstext geeinigt, der heute formal angenommen wurde.

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel begrüßte die Entscheidung als großen Fortschritt für den Umwelt- und Gesundheitsschutz. Gabriel: "Bislang wissen wir zu wenig über Chemikalien und ihre möglichen Risiken. Risiken, die wir nicht kennen, können wir aber auch nicht beherrschen. REACH wird dies ändern und einen verantwortlichen Umgang mit Chemikalien ermöglichen."

Mit REACH sollen außerdem die Wettbewerbsfähigkeit und die Innovationskraft der europäischen Industrie gestärkt werden. Gabriel ist überzeugt, dass auch dieses Ziel erreicht wird: "Das neue Wissen über Stoffeigenschaften birgt ein großes Potenzial für technologische Innovationen. Unternehmen werden es nutzen, um ihre Verfahren zu optimieren und neue Produkte zu entwickeln."


UBA: Presse-Information 078/2006, Dessau, den 12.12.2006

Neues EU-Chemikalienrecht nützt Mensch und Umwelt – aber es birgt Potential für mehr

Mit der zweiten Lesung im Europäischen Parlament rückt REACH näher

Die neue europäische Chemikalienverordnung REACH ist auf der Zielgerade: Derzeit findet die zweite Lesung im Europäischen Parlament in Straßburg statt. REACH schreibt erstmals vor, Chemikalien in der Europäischen Union systematisch auf ihre Umwelt- und Gesundheitswirkungen zu prüfen. Und noch etwas ist neu: Nicht die Behörden, sondern die Hersteller und Importeure müssen die Sicherheit der Chemikalien und der aus diesen hergestellten Produkten hinsichtlich der menschlichen Gesundheit und der Umwelt nachweisen. Mehr Transparenz für alle Marktteilnehmer über Risiken wird zu besser umwelt- und gesundheitsverträglichen Produkten und sichereren Herstellungsprozessen führen. Der Präsident des Umweltbundesamtes (UBA) Prof. Dr. Andreas Troge: „Was bei elektrischen Geräten oder Automobilen schon lange gang und gäbe ist, gilt endlich auch für Chemikalien und die daraus hergestellten Produkte: Sie sind auf ihre Sicherheit geprüft." REACH wird den Gesundheits- und Umweltschutz in der EU entscheidend verbessern. Aber ausgerechnet bei besonders gefährlichen Stoffen lässt REACH die notwendige Konsequenz vermissen.

REACH verbessert das gültige Chemikalienrecht grundlegend. Die innovationsfeindliche Unterscheidung zwischen Alt- und Neustoffen fällt weg: „Alt" sind Chemikalien, die schon vor 1981 auf dem Markt waren. Sie durften bisher ohne behördliche Prüfung hergestellt und verwendet werden. Neustoffe, also nach 1981 vermarktete Chemikalien, mussten die Hersteller und Importeure bei den Behörden anmelden, verbunden mit relativ aufwändigen und teuren Prüfungen. Das erschwerte die Vermarktung neuer Stoffe; alte – auch problematische – Stoffe genossen Marktvorteile.

Zukünftig müssen Hersteller und Importeure für alle Chemikalien die Wirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt untersuchen. Sie müssen die sichere Produktion und Verwendung darlegen. Dieser Wechsel der Verantwortung für die Sicherheit der Chemikalien und der daraus hergestellten Produkte ist das zentrale Prinzip von REACH.

Leider setzt sich dieses Prinzip gerade bei besonders kritischen Chemikalien nicht konsequent fort. So schlägt das UBA seit Jahren vor, besonders langlebige Chemikalien, die sich in Organismen anreichern und giftig sind, möglichst zu ersetzen. Es handelt sich dabei um Stoffe mit persistenten, bioakkumulierenden und toxischen (PBT) Eigenschaften, also um so genannte PBT-Stoffe. Diese sind zwar nach REACH zulassungspflichtig, das heißt, die EU-Kommission muss ihren Einsatz genehmigen. Aber: Einige PBT-Stoffe sind mit den REACH-Kriterien gar nicht als kritisch erkennbar. Hier sind Nachbesserungen nötig. Die in den Verhandlungen vereinbarte „Überprüfungsklausel" könnte Abhilfe schaffen. Sie sieht vor, mehr Gewicht auf wissenschaftliche Erkenntnisse und Messwerte aus der Umweltbeobachtung zu legen. Über diese Ergänzung – und weitere Änderungen – entscheidet das EU-Parlament in Straßburg. Sie sind Teil einer Kompromisslösung zwischen Kommission, Rat und Parlament, die morgen zur Abstimmung steht.

Zum Kompromisspaket gehört ebenfalls die Verpflichtung, besonders kritische, zulassungspflichtige Chemikalien durch weniger gefährliche Stoffe zu ersetzen. Diese Regel gilt jedoch nicht für Chemikalien, die auf das Hormonsystem wirken. Sie dürfen weiter zum Einsatz kommen, falls die Risiken für Mensch und Umwelt angemessen beherrschbar sein sollten. Was aber bedeutet „angemessen beherrschbar"? Und wer kontrolliert dies? Hier bleibt REACH noch immer hinter den eigenen Ansprüchen zurück. Positiv ist, dass der Kompromiss wenigstens vorsieht, auch diese Regelung nach sechs Jahren auf EU-Ebene zu überprüfen.

Ein dritter Aspekt blieb leider bei den Verhandlungen auf der Strecke: Für Stoffe mit einer jährlichen Produktions- oder Importmenge unter zehn Tonnen – das ist etwa das Fassungsvermögen eines mittelgroßen Lkw – müssen die Hersteller und Importeure nicht generell, sondern nur bei konkreten Hinweisen auf eine besondere Gefährdung Daten zu den Wirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt vorlegen. Wie aber lassen sich Gefährdungen ohne diese Informationen erkennen? Bei diesen Stoffen müssen – im Gegensatz zum Prinzip von REACH – nicht die Hersteller oder Importeure, sondern wieder die Behörden nachweisen, dass die Stoffe potenziell gefährlich sind. Deshalb sollten die Hersteller und Importeure verpflichtet werden, nachzuweisen, dass die Bedingungen für geringere Datenanforderungen gegeben sind. Schon jetzt appelliert das UBA, dass Hersteller und Importeure dies freiwillig tun.

Diese Unzulänglichkeiten sollten jedoch nicht die Gesamtbilanz trüben: REACH ist ein Sprung nach vorne zu mehr Chemikaliensicherheit für Gesundheit und Umwelt. Endlich wird es nicht mehr belohnt, über einen Stoff möglichst wenig zu wissen; und die Stoffanwender erhalten echte Informationen über die Risiken der Stoffe, mit denen sie umgehen.

Das UBA beteiligt sich aktiv an der Ausgestaltung des neuen Chemikalienrechts und unterstützt Unternehmen sowie Vollzugsbehörden bei der Vorbereitung auf REACH. Mit Workshops, Forschungsprojekten und Informationsangeboten bietet das UBA eine breite Palette an praxisnahen Arbeitshilfen.

Weitere Informationen zu REACH finden Sie im Internet unter

http://www.reach-info.de/ 


BAUA (Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin)

Chemikalien sollen generell so hergestellt und angewendet werden, dass negative Auswirkungen auf Mensch und Umwelt möglichst gering bleiben.

Im September 2002 beschlossen die teilnehmenden Staaten des Weltgipfels in Johannesburg, dass dieses ehrgeizige Ziel im Jahre 2020 erreicht sein soll. Doch die Realität sieht noch anders aus. Für rund 95% der Chemikalien, die derzeit auf dem Markt sind, liegen keine ausreichenden Daten vor, um überhaupt Aussagen zu ihren Auswirkungen auf den Menschen und die Umwelt zu machen. Auch im hochindustrialisierten Europa ist es nicht anders. Es fehlen Informationen über all die Stoffe, die uns in unserem Alltag begleiten. Aus diesem Grund wurde eine grundlegende Reform des europäischen Chemikalienrechts auf den Weg gebracht: REACH.

REACH, das steht für Registration, Evaluation, Authorisation of Chemicals (Registrierung, Bewertung und Zulassung von Chemikalien). Mit dieser neuen Gesetzgebung soll das Chemikalienrecht europaweit vereinheitlicht und vereinfacht werden. Gleichzeitig soll aber auch der Wissensstand über die Gefahren und Risiken erhöht werden, die von Chemikalien ausgehen können. Im Jahre 2003 stellte die europäische Kommission einen ersten Text-Entwurf vor, der seit dem teilweise im Rat und Parlament recht kontrovers diskutiert wurde. Die Verhandlungen sind erfolgreich am 18.12.2006 abgeschlossen worden und die REACH-Verordnung wurde am 30.12.2006 im Amtsblatt der EU veröffentlicht.

Als zuständige Behörde für die Anmeldung von Neustoffen und für das Meldeverfahren für Altstoffe verfügt die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) bereits über breite Erfahrungen in der Erfassung von Daten und Bewertung von chemischen Stoffen. Vieles von dem, was REACH vorsieht, entspricht der heutigen Praxis - insbesondere in Bezug auf die Neustoffe. Welche Vor- und Nachteile sich aus dem REACH-Entwurf von 2003 (und auch in den Vorschlägen anderer Mitgliedsstaaten zu REACH) aus Sicht der Anmeldestelle der BAuA in der Praxis ergeben hätten, ist an Hand einiger ausgewählter Stellungnahmen dargestellt.

Unterstützung bei der praktischen Umsetzung der neuen REACH-Verordnung finden Sie auf unserer Helpdesk-Seite.

Webadresse nicht mehr oder unter geaenderter Adresse im Netz


Euractiv: /Europäische Agentur für chemische Stoffe)

Linkdossier zu Reform der EU-Chemikalienpolitik (REACH)

Erschienen: Mittwoch 11. August 2004 | Aktualisiert: Freitag 5. Januar 2007

http://www.euractiv.com


STIMMEN DER INDUSTRIE

Bund der deutschen Industrie (BDI)

Der politische Prozess zur Etablierung einer neuen EU-Stoffpolitik (REACH) ist mit der am 13.12.2006 und 18.12.2006 erfolgten Verabschiedung durch das Europäische Parlament und den Rat abgeschlossen. Die Industrie steht nun vor der Aufgabe, das größte umweltpolitische Gesetzeswerk der EU umzusetzen, hiermit Erfahrungen zu sammeln und diese erforderlichenfalls in Verbesserungsvorschläge für eine spätere Revision der Verordnung einfließen zu lassen. Im Fokus werden hier beispielsweise Verbesserungen zur Sicherstellung gleicher Wettbewerbsbedingungen für importierte Erzeugnisse und EU-Erzeugnisse stehen. Hieran zeigt sich einmal mehr die branchenübergreifende Bedeutung von REACH. Der nunmehr erreichte Stand enthält eine ganze Reihe von Verbesserungen gegenüber früheren Konzepten, insofern hat sich die sorgfältige und sachbezogene Argumentation der Industrie über viele Jahre hinweg ausgezahlt. Die unstrittigen Ziele von REACH sind nun widerspruchsfrei, intern wie auch gegenüber anderen Rechtsbereichen, und mit möglichst geringem Aufwand für alle Akteure in den Lieferketten umzusetzen. Hierbei wird gegenüber den zuständigen Behörden auf EU- und Mitgliedstaatenebene intensive Überzeugungsarbeit zu leisten sein.

Zur Information http://www.bdi-online.de 


Verband der Chemischen Industrie (VCI): Presseinformation vom 13.12.2006

REACH: eine große Herausforderung für die Branche

Stellungnahme des VCI zur Abstimmung im Europaparlament

REACH bleibt trotz wichtiger Verbesserungen gegenüber dem ursprünglichen Kommissionsvorschlag eine große Herausforderung für die Chemie in Deutschland. Das erklärt der Verband der Chemischen Industrie (VCI) zum Abstimmungsergebnis im Europaparlament in Straßburg, das in zweiter Lesung den Weg für die Verabschiedung der REACH-Verordnung im EU-Ministerrat am kommenden Montag frei macht. „Mit der Umsetzung des neuen EU-Chemikalienrechtes kommen zusätzliche Kosten und erheblicher bürokratischer Aufwand auf die Unternehmen zu – das wird besonders für den Mittelstand ein harter Brocken", betont VCI-Präsident Werner Wenning. „Unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit gerät mit REACH noch stärker unter Druck."

Mit REACH sollen Behörden, Weiterverarbeiter und andere Kunden der Branche besseren Zugang zu sicherheitsrelevanten Informationen über die verwendeten Stoffe bekommen. Dieses Ziel hält auch der Chemieverband in Frankfurt für richtig. Als Belastung für die Branche sieht der VCI jedoch vor allem die Verschärfung des Zulassungsverfahrens. Bestimmte Stoffe, die unter die Zulassung fallen, müssen durch Alternativen ersetzt werden, selbst wenn die Hersteller nachweisen können, dass eine sichere Verwendung durch geeignete Maßnahmen gewährleistet ist. „Für viele Produkte und Produktionsanlagen bedeutet diese Verschärfung eine erhebliche Rechtsunsicherheit. Investitionen werden dadurch verzögert oder sogar verhindert", erklärte der VCI-Präsident.

Außerdem kritisiert der VCI, dass die Registrierung kleinvolumiger Chemikalien durch einen kostspieligen und dazu wenig verlässlichen Test erheblich verteuert wurde. Die Parlamentsmehrheit hatte sich ursprünglich für eine Streichung dieses Tests ausgesprochen, konnte das aber gegenüber den Mitgliedsstaaten nicht durchsetzen. „Vor allem für mittelständische Firmen führt dies zu deutlichen Zusatzbelastungen", so VCI-Präsident Wenning.

Positiv wertet der VCI, dass das Parlament mit dem Kompromisspaket einen stärkeren Schutz von Geschäftsgeheimnissen beschlossen hat. Gewisse Stoffinformationen – wie etwa die Strukturformel einer Substanz – sollen nun nicht mehr automatisch durch die Chemikalienagentur veröffentlicht werden. Die betroffenen Unternehmen können diese Daten auf Antrag für sechs Jahre als vertraulich einstufen lassen – für Zwischenprodukte sogar zeitlich unbegrenzt. Letzteres spielt, so der VCI, eine wichtige Rolle für die Entwicklung von neuen Produkten mit hoher Wertschöpfung, die über mehrere Syntheseschritte hergestellt werden. Dazu gehören vor allem Arzneimittelwirkstoffe, Pflanzenschutzmittel und Spezial chemikalien. Wenning: „Diese Verbesserung begrüßen wir sehr, denn damit können hart erarbeitete Innovationsvorsprünge der europäischen Chemieunternehmen gegenüber Wettbewerbern gehalten werden."

Weitere vom Parlament beschlossene Verbesserungen betreffen vor allem einen stärkeren Eigentumsschutz an aufwändigen Sicherheitsstudien sowie verlängerte Registrierungsfristen.

Mit der Verordnung steht allerdings nur das theoretische Grundgerüst des neuen EU-Chemikalienrechts. Über die tatsächliche Umsetzung und damit auch über die Praktikabilität und Kosteneffizienz der Regelungen entscheiden letztlich die verschiedenen technischen Leitfäden, die von der EU-Kommission zurzeit entwickelt werden. Allein die für die Unternehmen bestimmten zehn verschiedenen „Umsetzungshilfen" umfassen gegenwärtig mehrere tausend Seiten. Vor allem kleine und mittlere Betriebe, zu denen über 90 Prozent der 1.600 Mitgliedsunternehmen des VCI zählen, benötigen einfache Instrumente, soll REACH in der Praxis funktionieren.

Die deutsche chemische Industrie ist in besonderem Maße von den Folgen der REACH-Verordnung betroffen: Gut ein Viertel des Chemieumsatzes der EU und fast jeder vierte Chemie-Arbeitsplatz in Europa wird von Unternehmen in Deutschland beigesteuert. Dies macht Deutschland mit Abstand zur Nummer eins im europäischen Chemiegeschäft.

Web: www.vci.de


Anmerkung Scherrmann zu den letzten beiden Beiträgen:

In diesen beiden Beiträgen wird  deutlich, welche Rolle die Industrie bei der Endfassung spielte und wohl auch bei der Umsetzung spielen wird. Ob die hier vorgetragene Verbesserung für die Industrie, die diametral zu einer Verbesserung des Schutzniveaus für die menschliche Gesundheit und die Umwelt steht, auch von nachhaltigem Nutzen für die Industrie sein wird, wird die Zukunft lehren.